Fuer den Rest des Lebens
gemacht, bis die Nachricht von der Krankheit seines Vaters kam und er sofort nachgab, sogar das Militär gab sofort nach, diese schwerfällige, wenig geschmeidige Gemeinschaft hatte sich mit erstaunlicher Schnelligkeit den neuen Bedingungen angepasst, hatte ihn aus der Kriegsmaschinerie entlassen und zu einer Basis in der Nähe von Jerusalem geschickt, dort wurde er mit langweiligen Verwaltungsarbeiten betraut und fuhr jeden Abend nach Hause zu seinem Vater, der langsam verlöschte und ihn nicht brauchte, und zu seiner Mutter, die ihn allzu sehr brauchte, während seine wenigen gleichaltrigen Freunde nur an seltenen und kurzen Wochenenden nach Hause kamen, er verstand ihre Sprache ohnehin schon nicht mehr, er hätte alles ertragen können, wenn er überzeugt gewesen wäre, dass nur die Krankheit seines Vaters ihn von der männlichen Laufbahn entfernt hatte, aber insgeheim hatte er bereits damals daran gezweifelt und zweifeit auch heute daran, ob er sich nicht heimlich gewünscht hatte, alldem auf die eine oder andere Art zu entkommen, denn schon bald verstand er, dass trotz der Liegestütze ein harter Bauch nichts für ihn war.
Wie hatte er während seiner Grundausbildung das Gewehr an seiner Seite angeschaut, als wäre es seine einzige Rettung, endlich hatte er einen Freund nach seinem Herzen, nah und treu, es war ihm noch nicht bewusst geworden, dass die erprobte Fähigkeit dieser Waffe darin bestand, zu vernichten und den Nächsten zu zerstören, für sein Gefühl war sie nur auf ihn gerichtet, denn er hatte es insgeheim schon beschlossen, als einzige Möglichkeit, sich von der Last und der Scham zu befreien, von der verzweifelten Anstrengung, sich in den vorgegebenen Rahmen einzufügen, er verschob es nur von einer Minute zur anderen, von einem Tag auf den anderen, er müsste bloß einmal abdrücken, und in der Stille, die sich danach ausbreitete, würde er seine Ruhe finden, einen anderen Weg hier heraus gab es für ihn nicht, und dann geschah es doch, es war kaum zu glauben, wie seine Mutter es mit ihren scharfen Sinnen geschafft hatte, seine Gedanken zu lesen, ihn dort rauszuholen, aber leider brachte das keine Erleichterung.
Er weiß, dass es vor allem sein persönliches Versagen war, dass die Krankheit seines Vaters nur vorgeschoben war, und seither betrachtet er Uniformträger und militärische Ausrüstungen voller Angst, als würden sie ihn persönlich bedrohen, und vielleicht hat Schlomit ja recht, die bei jeder Gelegenheit betont, seine übertriebene Identifikation mit der anderen Seite beruhe nur auf Neid und Enttäuschung, denn als er sich jetzt vor den Zeugen hinstellt, um ihn einem aggressiven und ausgeklügelten Verhör zu unterwerfen, fühlt er sich plötzlich in seiner schwarzen Robe lächerlich, als trüge er ein Kleid, und zu seinem Erschrecken stellt er fest, dass er in der Eile in seinem Büro vergessen hat, die Sandalen gegen die schwarzen Schuhe zu wechseln, und statt kraftvoll vor dem Zeugen hin und her zu laufen, klingen seine Schritte schlurfend und quietschend, wie in einer Umkleidekabine im Schwimmbad, er räuspert sich verlegen und nimmt sich sofort zusammen und fällt über den jungen Mann her, attackiert ihn mit bedrückenden Details, versucht ihm Absicht zu beweisen oder zumindest Nachlässigkeit. War es dämmrig oder dunkel? Waren die Geräte schon auf Nachtsicht umgestellt? Wie war zu der Zeit die Straßenbeleuchtung? Wussten Sie von den Aktionen der Friedensaktivisten, die ein Büro in der Stadt hatten? Es kann doch nicht sein, dass Sie es nicht wussten, es kann nicht sein, dass Sie es nicht gesehen haben, es kann nicht sein, dass die Straße vollkommen dunkel war.
In Nablus waren nur zwei Straßen beleuchtet, antwortet der junge Mann, der damalige Befehlshabende der Aufklärungseinheit, ein Friedensaktivist, ist meiner Meinung nach ein naiver Zivilist und ich muss aufpassen, ihn nicht zu treffen, ich war sicher, es handelt sich um Terroristen, ich habe die ganze Nacht trotz meiner Verletzung weitergekämpft, und erst am Morgen, noch bevor man mich bandagiert hat, wurde ich verhört, erst da wurde mir klar, was passiert ist, und da ist die Staatsanwältin, mit langen, schwarz gefärbten Wimpern und einem vorstehenden Kinn, und bringt ihn zum Schweigen, um die Fotos zu zeigen, die damals aufgenommen wurden und die zwei Punkte der Auseinandersetzung dokumentieren, nämlich die Lichtverhältnisse während des Ereignisses und die Kleidung des Friedensaktivisten Steven, als er
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