Für ein Lied und hundert Lieder
wollenden Hosenställen hindurch nach vorn, entschlossen, den Feind, wenn er sich denn sehen ließe, mit Obstschalen und Steinen zu bewerfen.
Ich habe mit eigenen Augen die von den Gerichtspolizisten aufgestellten schwachen und kraftlosen Stative gesehen, es war unsagbar aufregend, mein kleiner Penis regte sich, ich hörte die Masse schreien: »Schlagt ihn tot!«
Das Polizeiauto kam und bahnte sich einen Weg durch die wogende Menschenmenge. Die Verbrecher waren dreckverspritzt und wurden auf den Kopf geschlagen, bis sie ganz durcheinander waren. Die Aufregung der Kinder hielt natürlich länger an als die der Erwachsenen, wir rannten hinter dem Gefängniswagen her, bis die Sonne im Westen unterging. Der Wagen raste in die Tiefe der Vorstadt, wir bremsten unseren Schritt und hatten die Haare voller Staub. Die Erschießungen fanden relativ weit weg statt, in den Bergen oder am Unterlauf des Flusses, wir sehnten uns danach, bei dieser letzten Bestrafung dabei zu sein, aber es ist uns nie gelungen.
Danach dann stand die Todesszene der Hingerichteten im Zentrum der Diskussionen, zum Beispiel, von woher die Kugel in ihn eingeschlagen war, aus welchem Abstand der Henker geschossen hatte, wie weit das Blut oder das Gehirn gespritzt war, wie er gezielt hatte und wie er, wenn er keine lebenswichtigen Organe getroffen hatte, dem Gewehr mit dem Messer nachhelfen musste und so weiter und so fort.
Der Leichnam wurde in der Regel in eine löchrige Matte gepackt, die Familienangehörigen der Hingerichteten waren Aussätzige, jeder ging ihnen aus dem Weg. Kinder sind neugierig, also trafen wir uns abends und spitzten in die ominösen Türen dieser Menschen. Wenn wir auch nur einen Schatten sahen, nahmen wir wie von der Tarantel gestochen Reißaus. Erst auf der belebten Hauptstraße blieben wir stehen und schauten zurück, im diffusen Licht der Straßenlampen schleppte sich der krumme Schatten eines Teufels, der nicht größer war als wir.
Einer der Todeskandidaten vor mir war klein und fett, ein anderer lang und dünn, nichts an ihnen war geheimnisvoll, von meinen Kindheitserinnerungen hatten sie nichts. Sie standen nur da, wie Holzstatuen, erst mit dem Ruf »Zelle zehn, Wasser steigt«, der von außen kam, erwachten sie aus ihrem Traum, griffen schiebend und stoßend die Steingutschalen vom Gestell und fingen damit den klaren Strahl unter dem lärmenden Wasserhahn auf, hoben die Schalen und gossen sie sich über Kopf und Stirn, Geschirr klapperte, sie zwinkerten mit den Augen und waren sehr guter Dinge – wie alte angekettete Affen. Mitten aus diesem Durcheinander kämpfte sich schief ein stämmiger Kerl mit reiner Gesichtshaut vor und rief: »Lasst den Neuen auch mal ran!«
Die Gefangenen trieben die Todeskandidaten auseinander, standen splitternackt in Reih und Glied und warteten. Ich kam hastig aus den Klamotten, zog die Hose aus und reinigte mich innerlich wie äußerlich. Die Kleidung, die mir am Leib geklebt hatte, und das Bettzeug wanderten in den Abfall und wurden in eine Ecke gekehrt. Was übrig war, Pullover und Laken, kamen ins Waschbecken. Der stämmige Kerl, der einiges an Macht und Ansehen genoss, beantragte im Innenhof nebenan lauthals kochendes Wasser, um die Läuse damit zu verbrühen, und ich bekam den Befehl, im Waschzuber zehn Minuten herumzurennen wie ein Geisteskranker, bis ich umfiel. Eine Woge von Gelächter ging durch die Gefangenen, und sie zogen einen neugeborenen, gutaussehenden Mönch aus dem Waschzuber.
Wen Zhi, so hieß der stämmige Kerl, befahl mir, die Hände zu heben und in die Hüfte zu stemmen, das Diebesgesindel nahm mich reihum genauestens in Augenschein. Erst als sie keinen fremden Geruch und auch sonst nichts Absonderliches an mir gefunden hatten, erlaubten sie mir, mich unter die anderen sechzehn Mönche zu mischen und in Reih und Glied in die Zelle zu marschieren.
Der Aufbau der Gruppenzelle war mit einem Blick zu übersehen, der Hof vorne und die Zelle dahinter war durch elektrische Gittertüren abgetrennt. Der Vorderhof wurde für den Hofgang genutzt, in Länge und Breite hatte er nicht mehr als fünf Schritt, es gab eine gemauerte Zisterne, ein Schalengestell aus Beton (Schalen und Stäbchen durften ausnahmslos nicht mit nach drinnen genommen werden), so hatten die Gefangenen Gelegenheit, sich zu waschen und kurze Spaziergänge zu unternehmen.
Das obere Ende des Innenhofs bedeckten aus Stahlbeton zusammengesetzte Vierecke, das Sonnenlicht fiel durch dieses Sieb mit seinen
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