Fuer Elise
zum ersten Mal sieht."
Er musste den Smalltalk aus Höflichkeit mitgestalten, auch wenn ihn die Frau, von der Cassy sprach, nicht interessierte.
"Was ist geschehen?"
"Sie hat niemanden auf der Welt. Alle gestorben. Und dazu lebt die arme Elise in einem Schloss mitten im Connemara. Können Sie sich das vorstellen? Wenn Sie mich fragen, fehlt da an erster Stelle ein Mann."
Er versuchte die Wallungen in seinem Blut in den Griff zu kriegen. Eine Fügung? Auf jeden Fall. Aber zu welchem Zweck?
Cassys Wohnungstür war schwer zu verfehlen. Das Gebrüll des Kindes hallte durchs Treppenhaus und übertönte jegliche Möglichkeit der Verabschiedung, als Cassy erst die Wohnungstür zum Appartement geöffnet hatte. Er sah durch einen Spalt zwischen Cassys blonder Turmfrisur und dem Türrahmen viele bunte Möbel auf zu wenig Raum. Auf dem Fußboden lag eine ausgelaufene Babyflasche und eine zusammengeknüllte Windel. Cassy stakste über beides hinweg.
"Normalerweise sieht es bei mir nicht so aus." rief sie.
Gabriel nickte.
Die Mitbewohnerin, erschien im gleichen Moment in desolatem Zustand hinter ihr und erschrak sichtlich über den männlichen Begleiter. Für Gabriel war das der Zeitpunkt zur Flucht. Seine Lust auf menschlichen Kontakt schrumpfte auf Sandkorngröße zusammen.
"Da bist du ja endlich! Hast du das Milchpulver?" rief die junge Mutter. Noch bevor Cassy antworten konnte, beugte Gabriel sich vor und hielt der Frau die Tüten hin. Sie warf Cassy einen schlitzäugigen Blick zu und verschwand mit dem brüllenden Bündel im Appartement hinter einer Tür.
Cassys Blick traf ein letztes Mal Gabriels und er konnte nicht verhindern, dass er ihn in sich aufsog. Ihre Augen brannten sich in seine Netzhaut ein.
Erst als er unten auf der Straße zu sich kam, griff er zu seinem Handy und wählte beunruhigt Michaels Nummer.
Eindringling
Der Mittwochmorgen kam und Elise blieb am Leben. Das war keine Selbstverständlichkeit. Er musste keinen realistischen Grund haben, seine Meinung zu ändern. Er war ein Vampir. Doch mit der Dämmerung kehrte Ruhe in sie ein und Elise fiel in unruhigen Schlaf.
Als sie erwachte, gehorchte ihre linke Hand mit Zuckungen. War Magnus womöglich in der Lage, ihren Arm gänzlich zu heilen…? Sie verwarf die Gedanken. Darum ging es nicht. Sie musste ihren Vater rächen und Vampire töten. Aber nicht diesen Vampir… oder doch? Ihm hatte sie Heilung versprochen. Seine Heilung gegen ihr Leben. Welche Wahl blieb ihr?
Es war fast zwölf, als sie das Gedankenkarussell zum Stehen brachte und sich aus dem Bett quälte. Sie griff zu Jeans, T-Shirt und lächerlich regenbogenfarbenen Wollsocken, weil ihre Füße noch immer Eisbrocken glichen.
Die Sonne schien schon wieder. Eine ungewöhnlich beständige Wetterlage für irische Verhältnisse. Magnus schlief jetzt sicher oder was ein Vampir eben tagsüber tat. Warum hatte sie nicht mehr sinnvolle Fragen gestellt?
Für einen Moment blieb sie am Fenster stehen und genoss den Blick in die Einsamkeit. Der Wald umringte den See so dicht, als wolle er ihn beschützen oder etwas vor der Außenwelt verbergen… Diese Natur würde ewig bestehen, auch wenn die Menschen - und die Vampire - längst der Vergangenheit angehörten. Ein tröstlicher Gedanke.
Oder würde es Vampire noch geben, wenn die Sonne längst verbrannt war? Wie lange konnte ein Wesen die Ewigkeit ertragen? Elise löste den Knoten in ihrem Gehirn. Ihr blieb keine Ewigkeit. Die Suche nach dem Heilmittel duldete - jetzt da ihr Leben davon abhing - keinen Aufschub mehr.
Das Bild eines Mannes tauchte aus der Vogelperspektive vor ihr auf: leblos, ohne Atmung mit steinkalter Haut, in einem Sarg. Die weißen Augen aufmerksam geöffnet…
Eine Stunde später kniete sie auf dem Hocker im Labor. Sie hatte nur Augenblicke, um zu registrieren, dass im Erdgeschoss etwas passierte.
Irgendwo krachte es. Dann war jemand im Haus!
Elises Blick schoss durchs Labor. Es gab nichts, womit sie sich bewaffnen konnte.
Die Spritze!
Ihr Blick schnellte zur Tür. Die Zeit würde nicht ausreichen, sie zu suchen. Sie hörte den Eindringlich bereits auf der Treppe. Er wusste, wo sie war. Innerlich sah sie Magnus hereinpreschen, sie packen, zu Boden reißen…
Plötzlich brach die Tür zum Labor aus dem Schloss. Holz splitterte.
"Was…?" rief Elise. Aber weiter kam sie nicht. Es war peinlich und vernichtend schmerzhaft ihn zu sehen. Sie wandte sich ab, blickte auf den Bildschirm des Laptops und wieder in das von
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