Fuer Elise
aus.
"Nicht mal Gott? Das macht doch keinen Sinn." Sie blickte in den Lichtstrahl der Taschenlampe, um den mittlerweile Hunderte Insekten schwirrten. "In der Bibel steht nichts vom Blutsaugen und auch nichts von Vampirkindern, die durch Kain gezeugt wurden." fügte sie hinzu.
Auf eine vernichtende Art fand sie es in diesem Moment angenehm, dass Micha sie ernst nahm und mit ihr diskutierte.
"Du vergisst, dass die Bibel eine Geschichte ist." sagte er, "Sie wurde von Menschenhand verfasst. Es existieren viele Versionen. Sie musste fürs Volk verständlich sein. Es ist unsinnig , meine Worte anzuzweifeln."
Sie sah, dass er litt. Aber in seinen Aussagen lag auch etwas, dass Elise in aller Deutlichkeit bewusst machte, wie unterschiedlich ihre Positionen waren.
Micha war all die Jahre nicht nur zu ihrem Schutz da gewesen, sondern auch, um darüber zu wachen, dass sie keinen Unsinn machte. Er sprach beinah so herablassend mit ihr wie Gabriel; als stünden sie nicht über Magnus zu Gericht, sondern über sie.
"Erklär es mir!" forderte sie trotzig.
Michael seufzte und sah zu Gabriel hinüber, der halb nickte.
"Also?"
"Das Blutsaugen und die Verwandlung in das Vampirwesen ist langfristige Folge des Fluchs. Der Fluch beinhaltete die Einsamkeit, als Strafe für Kain.
Aber in den Jahrhunderten fand er einen Weg der Linderung. Saugen ist der erste, urälteste Instinkt des Menschen. Ein Säugling hat nach der Geburt noch keine Kontrolle über seine Bewegungen, schafft es aber zur Brust seiner Mutter zu finden, um sich zu ernähren. Diese Kraft bekommt ein Kind direkt vom Schöpfer."
Selbst wenn es noch so viel Sinn machte, was er sagte, war sie nicht bereit auch nur ein Wort davon gelten zu lassen.
"Blut ist nicht Ernährung für den Vampir." widersprach sie.
"Damit hast du Recht." sagte Micha, "Aber Kain erfuhr, dass er durch die Zufuhr von frischem, körpertemperiertem Menschenblut, dem Leben und den darin verarbeiteten Nährstoffen Ruhe fand. Blut ist nicht die Nahrung des Vampirs, sondern sein Weg zurück zur Menschlichkeit."
"Sie erleben Szenen aus ihrem Menschendasein, wenn sie töten." fügte Gabriel hinzu.
Danach war es still.
"Gott hat also einen Fehler gemacht?" fragte Elise.
Micha und Gabriel wichen ihrem Blick aus. Das genügte ihr als Antwort.
"Der Herr sah, dass die Menschen voll Bosheit waren. Jede Stunde, jeden Tag ihres Lebens hatten sie n ur eins im Sinn: Böses planen, Böses tun. Er wünschte er hätte die Menschen nie erschaffen." zitierte Magnus die Bibel in belustigtem Tonus. Dann trat er an Elise heran und legte ihr den Arm um den Hals. Sie fragte sich unmittelbar, was das sollte, dann wurde ihr klar, dass es ein Spiel war, denn das Gewicht seines Armes lag nicht auf ihrem Körper und sein Blick richtet sich weiter auf Micha. Die Provokation wirkte, allerdings nicht bei ihm.
Alles ging sehr schnell.
Elise sah Gabriel vorschnellen und Cassy entfuhr ein Schrei. Sie griff nach Gabriels Schulter, konnte ihn jedoch nicht mehr festhalten. Die Bewegungen von Gabriel schienen nur unwesentlich langsamer, als Magnus', der Elise plötzlich ungnädig die Gurgel abdrückte und sie schmerzhaft an seine Brust presste. Sie rang nach Luft und der Schmerz seiner Hand an ihrem Hals betäubte sie. Als Gabriels Faust in Magnus' Gesicht aufschlug, flog sein Kopf zur Seite, nur um in der nächsten Sekunde zurückzuschnellen.
Sie hörte Magnus fauchen, während sie mit dem Arm ringend , versuchte auf sich aufmerksam zu machen. Doch Magnus war zu wütend, um sie zu bemerken. Sie klemmte zwischen den beiden, fühlte Gabriels Atem in ihrem Gesicht und Magnus' auf ihren Haaren, während sich die Augenpartien von beiden ineinander verkeilt hatten. Eine unsichtbare Energie wogte hin- und her, die jeden Moment in Feuer aufgehen konnte. Elise hatte nur noch Luft für wenige Sekunden. Sterne tanzten vor ihren Augen. Als ihr Sichtfeld schwarz in sich zusammenschrumpfte, trat Gabriel einen Schritt zurück und Magnus ließ sie los.
Ihr Körper sackte zu Boden und gleichzeitig griff sie sich würgend und hustend an die Kehle.
Absätze auf Holz. Lauter werdend. Ihr Sichtfeld kehrte zurück.
"Seid ihr von allen guten Geistern verlass en?" rief Cassys schrille Stimme und zarte Hände stützten sie. Sie spürte, wie Cassy ihr über den Kopf strich und fing ihren Blick auf.
Eine Freundin. Zum ersten Mal in ihrem Leben.
Die Besonnenheit, die in Cassys Stimme trat, passte nicht zu ihrer Optik und schon gar nicht zu dieser
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