Für hier oder zum Mitnehmen?
Zubehör konnte man nur Basic programmieren. Die beiliegende Floppy Disk riss ich auf und nahm die Magnetfolie heraus. Ich wunderte mich, wie schwer sie zu öffnen war. Ich dachte, es handele sich um eine Art Schallplatte. Die Floppy Disk war damit zerstört.
Auf Anregung meines Vaters entwickelte ich eine Software, eine in Basic programmierte Datenbank, die Ärzten die Abrechnung der Privatpatienten im Vergleich zum traditionellen Maschinenschreiben der Sekretärin erheblich erleichterte. Mein erster Kunde war mein Vater. Einziger Nachteil war, dass nur ich die Datenbank bedienen konnte. Auf die Ergonomie des User Interfaces hatte ich in der Entwicklung nicht unbedingt den Schwerpunkt gelegt. Aber im Laufe der nächsten Monate konnte ich zwei weitere Lizenzen verkaufen. Das war der Beginn meiner Selbständigkeit. Die Kunden waren Arztkumpels meines Vaters, die auch Söhne in meinem Alter hatten. Die wiederum freuten sich, nun endlich einen vernünftigen Grund zur Anschaffung eines C64 gefunden zu haben. Die Umschulung der Söhne zu Datenbankfachkräften und auch den Support und einige Updates ließ ich mir gesondert vergüten. Ich hatte ein Monopol geschaffen, und das Marktpotential war unendlich groß.
Als ich kurze Zeit später gemeinsam mit den anderen von mir ausgebildeten Datenbankfachkräften in die Labyrinthe der Pubertät abtauchte, erlöste mich das Platzen meiner ersten persönlichen Dotcom-Blase aus meinen Lizenzverträgen. Die ersten professionellen Praxiscomputersysteme, die auf MS - DOS -Basis gebaut waren, kamen auf den Markt und umfassten als kleines Tool auch die Privatabrechnung auf Knopfdruck – mit User Interface, das damals Eingabemaske hieß.
Als ich einige Jahre später von Steve Jobs hörte, bereute ich den Ausstieg aus der Computerbranche doch ein wenig.
Die Erfahrung der Selbständigkeit allerdings blieb haften. Ich schwenkte um in eine andere Branche. Mein Vater hatte ein Vertikutiergerät für den Rasen gekauft, das nutzte ich, um die Rasen der Nachbarschaft zu vertikutieren. Die Nachbarn wussten bis dahin nicht einmal, was Vertikutieren war. Man ritzte mit einer Art großem Rasenkamm den Boden zur Belüftung an und riss dabei das Moos heraus. Das passte viel besser zu meiner Pubertät, als die nerdige Softwareverkäuferei. Wie in einer Szene in »Die Reifeprüfung« vertikutierte ich, dem jungen Dustin Hoffman gleich, mit wilden Fantasien im Kopf, in denen unsere Nachbarinnen und deren Töchter die Hauptrollen spielten, mit nacktem Oberkörper die nachbarschaftlichen Rasen, bis sie völlig entmoost waren.
Direkt nach dem Vertikutiervorgang sahen die Rasen alles andere als gesund aus. Ich wurde selten zweimal vom gleichen Kunden gebucht. Zudem blieb jegliche Form von Abenteuer aus. Das Vertikutierbusiness hängte ich enttäuscht an den Nagel.
»Meine ganzen Unternehmungen waren doch nie so richtig erfolgreich«, erwidere ich Florian. »Vielleicht habe ich einfach nie etwas konsequent zu Ende gebracht? Kann alles, aber nix richtig? Wer weiß denn schon, was er genau machen will? Ist es nicht so, dass man sich zu jeder Zeit nach dem anderen sehnt, nach dem, was man gerade nicht hat? Und muss man Freiheit immer gegen Sicherheit tauschen? Kann es nicht beides geben?«
»Bis gerade eben noch habe ich in meiner heilen Münchner Kleinfamilienwelt gelebt und hatte mehr Sicherheit als alles andere, und von heute auf morgen bricht alles zusammen. Rums! Da will man doch lieber Freiheit und Unsicherheit als Unfreiheit und Sicherheit, die jederzeit verschwinden kann. Es gibt keine Sicherheit. Sicherheit ist nur eine Illusion. Ein Trick der Psyche.«
»Genau. Die großen versunkenen Schätze liegen draußen in der weiten, offenen See, feste Anlegeplätze findet man an der Küste.« Darauf stoßen wir ritterlich an. Wenn alles immer so romantisch wäre.
»Ich habe einen ganz schön großen Haufen Schulden an der Hacke. Das Bankdarlehen ist die eine Sache, da beginnt jetzt im Oktober die erste Tilgungsrate. Ich dachte, der Laden würde bis dahin viel, viel besser laufen. Nebenbei habe ich Mietschulden, privat wie geschäftlich, Schulden beim Finanzamt, Schulden bei Lieferanten, Baurechnungen sind unbeglichen. Keine Ahnung, ob ich das überlebe.«
»Soll ich dir Geld leihen?«
»Nein, danke, aber so war das nicht gemeint. Ich kann schlecht noch mehr Schulden aufhäufen. Schulden mit Schulden bekämpfen, das ist nicht gut. Ich muss den Laden zum Laufen bringen. Irgendwie durchhalten. An die
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