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Für hier oder zum Mitnehmen?

Für hier oder zum Mitnehmen?

Titel: Für hier oder zum Mitnehmen? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ansgar Oberholz
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beiseite, reiße die Tür auf und stürze mich ins Kampfgetümmel. Soundtrack: Richard Wagner, »Walkürenritt«. Blutrausch, reine Triebe, Reptiliengehirn – das Gefühl ist noch größer als beim Rauswurf des Generals.
    Fred steht am unteren Treppenabsatz, in zentraler Position. Einige Gäste und Mitarbeiter haben sich um ihn versammelt. Wie Achilles auf Troja, so stürme ich auf Fred zu, als mich ein uralter Instinkt meine Schritte abbremsen lässt. Auf der letzten Treppenstufe komme ich zum Stehen, und mein felsenfester Entschluss, Fred ohne große Worte endgültig des Hauses zu verweisen, gerät ins Wanken. Die Augen der Anwesenden sind mittlerweile auf mich und nicht mehr auf Fred gerichtet. Fred steht in seinem Mantel und seinen Pantoffeln breit grinsend da. Natürliche Autorität, Kraft und Gelassenheit, aber auch tiefe Feindseligkeit strahlt er aus.
    Der gleiche uralte Instinkt, der mich unbewusst abbremsen ließ, senkt nun meinen Blick an Fred hinab, so kann ich sehen, dass Fred unter seinem fast ganz geöffneten Mantel masturbiert. Ich sehe es, aber ich begreife es nicht. Mein Verstand versucht die Informationen der Sehnerven in vernünftige Zusammenhänge und Erfahrungen zu zwingen, um Handlungsoptionen zu entwickeln, aber es gelingt ihm nicht. Multiball! Für einen Moment habe ich das Gefühl, ohnmächtig zu werden, mein Blickfeld engt sich ein, und der Sound ist kurz weg.
    Nach einer Weile höre ich mich sagen: »Fred, was tust du da?«
    »Ich hole mir einen runter.« Er grinst mich an.
    Was für eine bescheuerte Frage.
    »Muss das unbedingt gerade hier und jetzt sein?«
    Traurig lasse ich meinen Blick über die versammelte Menschenmenge schweifen. Alle sind sie da. Die Zwillinge, Aurinia, Dolores, Milena, Klamotte, Shanti, Florian und natürlich der Porno-Cutter, sowie einige andere Gäste, die mich bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht persönlich kannten.
    Durch die großen Glasscheiben des Cafés sehe ich den General in seinem Rollstuhl auf dem Bürgersteig sitzen, er zittert vor Lachen und winkt mir zu. Hatte der General Fred gemeint, als er mir mit dem Behindertenbeirat der Stadt Berlin drohte? Ich fühle mich besiegt. Die Armee der Finsternis, die Clochards Berlins, angeführt vom Prince of Darkness, haben die Macht über mich und meinen Laden übernommen. Unfähig, mich zu bewegen oder sinnstiftende Maßnahmen zu treffen, stehe ich da. Die Angst vor der Potenz meiner eigenen Aggression lähmt mich. So hoch mein rauschhaftes Gefühl eben noch war, so tief falle ich jetzt. Unendliche Müdigkeit und Leere erfüllen mich. Mir ist mit einem Mal alles egal.
    Milena packt Fred mit ruhigem, aber energischem Griff von hinten an den Schultern und schiebt ihn mühelos zum Eckeingang. Damit erspart sie mir weitere Höhepunkte seiner Darbietung.
    Fred dreht lachend den Kopf nach hinten und winkt mir fröhlich zu. Erleichtert stelle ich fest, dass die Hand das Winken übernimmt, die bis gerade eben noch, physikalisch betrachtet, die gleiche Bewegung vollzogen hat, der nun aber biologisch-soziologisch gesehen gänzlich andere Aufgaben zuzuschreiben sind.
    Ohne lange nachzudenken, drehe ich mich um, verlasse grußlos die Bühne, meine Hand am Döblingeländer stützt meine Schritte. Alles schwankt, Berlin schwankt, Berlin ist auf Moor errichtet worden. Ich schwimme, versinke, Berlin versinkt. Ich setze mich verschämt wieder in mein Lüftungsbüro, lasse den Kopf auf die Schreibtischplatte fallen, wo er tonnenschwer liegen bleibt.

14.
    GOLDEN GATE
    B ist du nicht der Typ, der dieses neue Café am Rosenthaler eröffnet hat? Da, wo früher der Burger King drin war?«, fragt der Mann, der neben mir am Pissoir des Nachtclubs Golden Gate steht, während er seinen Penis abschüttelt. Ich meine ihn noch nie vorher gesehen zu haben, bin aber auch schon recht betrunken. Vielleicht kenne ich ihn nicht, aber er mich? Vielleicht sind das erste Anzeichen von Popularität des Cafés und seines Betreibers. Diese Vorstellung löst eine angenehme Aufregung in mir aus, befeuert durch das dumpfe, warme, blaue Alkoholgefühl, das einen befällt, wenn man trinkt, um zu vergessen. Und vergessen will ich heute am liebsten alles. Den armen Kerl, der von seiner wilden Affäre versetzt wurde und das anschließende Missverständnis, meine demütigende Hilflosigkeit Fred gegenüber, die ungeklärte Frage nach der angeblichen Affäre mit Milena und ihre Versuche, mir das Ruder aus der Hand zu nehmen, das Gespräch mit Magnus, den

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