Für hier oder zum Mitnehmen?
Gefühl, ein Hirnbalken zu sein, kenne ich schon, aber jetzt lerne ich das Gefühl kennen, eine SMS mit tragischem Inhalt zu sein. Es fühlt sich fast so an, als würde ich Carsten meine Liebe gestehen.
»Und sie meinte, ihr begegnet euch bestimmt irgendwann noch mal im Leben. Da ist sie sich sicher, und eure Nacht war toll, sagt sie.«
Jetzt sickert es langsam durch. Sein Blick bricht, er sackt nach vorne auf den Tisch, seinen Kopf legt er auf seine sommerbesprossten Unterarme.
»Es gibt keine schlechten Abenteuer. Nur schlechte Abenteurer«, sage ich, um ihn irgendwie aufzumuntern. Ich spüre das Verlangen, mit meiner Hand durch sein gelocktes Haar zu fahren.
Abrupt hebt er den Kopf, Tränen in den Augen. »Hat sie das auch gesagt?«
Wieso habe ich das gerade von mir gegeben? Ich spüre, dass das keine gute Entscheidung war.
»Nein, das sage ich zu dir.«
Nun wird er wütend, Trauer und Zorn liegen meist nah und in dieser Reihenfolge beisammen.
»Wer bist du überhaupt?«
»Ich bin der Betreiber dieses Cafés.«
»Jetzt wird mir alles klar! Du Schwein! Du hast da deine Finger im Spiel.«
Er springt wutentbrannt auf, reißt seinen Koffer von der Sitzbank und stellt sich vor mich hin, er ist ziemlich klein und blickt zu mir hoch.
Nun habe ich auch noch mit Lisa ein Verhältnis, von dem ich nichts weiß.
Carsten brüllt mich an: »Lisa wollte, dass wir es dir gemeinsam sagen. Dann eben so. Du hast keine Ahnung, was wahre Liebe bedeutet! Wahre Liebe überwindet alle Grenzen. Da kannst du gar nichts machen. Wir sind füreinander bestimmt, und wir werden uns finden. Wenn nicht in diesem Leben, dann in einem der nächsten. Richte ihr das aus, wenn du dich traust, du Schwein!«
Ich will ihm erklären, dass ich Lisa nichts ausrichten kann, selbst wenn ich wollte, dass ich sie gar nicht kenne und es sich um ein ganz blödes Missverständnis handelt. Aber er lässt mich einfach stehen und geht forschen Schrittes hinaus, vermutlich, um den Flieger nach Hawaii noch zu bekommen. Wenn Klamotte in der Tür nicht einen Ausfallschritt rückwärts gemacht hätte, hätte Carsten ihn umgerannt.
Die gesamte Filmcrew hat Carstens Plädoyer für die wahre Liebe gehört und blickt mich grinsend an. Milena führt Frau Melanowski liebevoll nach draußen. Diesmal hat sie nichts mitgenommen. An ihre Schulden bei mir wird sie sich eher nicht erinnern können.
»Schon wieda fleißich am Rausschmeißen? Kleener Tipp: Son paar Jäste brauchste schon im Jastraum, nich nur sone, die uff da Flucht sind. Wat hatte denn der kleene Mann, warum isser denn so uffjescheucht?«
»Er denkt, dass ich ein Verhältnis mit seiner neuen Freundin habe, was aber gar nicht stimmt. Der wäre aber so oder so nicht wieder gekommen.«
»Ein Jast wenijer, een Buchstabe mehr. Hier, bitteschön.«
Klamotte hält mir das perfekte ›k‹, das offensichtlich vom Schildermacher hergestellt wurde, vor die Nase.
»Haste denn die Tafel schon abjebaut, weil de dit mit dem falschen ›k‹ nüscht mehr ertrajen konntest, oder wo haste dit jute Stück vasteckt?«
Die Tafel mit dem Ponyhofspruch hängt tatsächlich nicht an der Hauswand. Alle anderen Tafeln sind noch dort.
Frau Melanowski steigt in einen Polizeiwagen, der gerade vor der Tür angehalten hat, und verabschiedet sich mit langem Händedruck von Milena. Milena schließt die Tür und klopft auf das Dach, als Zeichen, dass die Beamten nun abfahren können.
Die Bohrlöcher der fehlenden Tafel schauen mich traurig an, in einem steckt noch ein Dübel. Nachdem ich alle Möglichkeiten durchgehe, bleibt nur die, die Klamotte gleich von Anfang an vermutet hatte, als er merkte, dass ich nichts mit dem Verschwinden der Tafel zu tun habe: Die Tafel ist gestohlen worden. Vermutlich letzte Nacht. Es war mir noch gar nicht aufgefallen.
»So schlimm kann dit ja nu nich jewesen sein mit deinem ›k‹, sonst hätten se dir doch wohl die Tafel mit dem Bärenfell jeklaut, oder?«
»Du musst mir glauben, auf die Feinheiten kommt es an, auf die Details, die sind spielentscheidend. Das macht den Unterschied. Die Diebe haben wahrscheinlich nicht bemerkt, dass das ›k‹ in der falschen Type gesetzt war.«
»Na ja, dafür, dit dir noch nich ma ufffällt, dit die janze Tafel jezockt wurde, hab ick mich beim Schildermacher zum Oberhonk jemacht. Wenn ick dem jetzt mit dem Ufftrag für die janze Tafel komme – wees ick jetz ooch nich, wie ick ihm dit erklären soll.«
Ich nehme Klamotte den Job ab, damit er seine
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