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Für hier oder zum Mitnehmen?

Für hier oder zum Mitnehmen?

Titel: Für hier oder zum Mitnehmen? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ansgar Oberholz
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Tafeldiebstahl, die Geldsorgen und das Unterholz.
    Trinkt man aus Lust in Gesellschaft, wirkt Alkohol beschwingend, selbstwertsteigernd, orange. Trinkt man aus Frust und alleine, so wirkt er dumpf, melancholisch, lila und blau. In jedem Fall ist Alkohol die ungeschlagene Allroundwaffe gegen Angst. Die Angst vor dem Versagen, vor der Blamage, vor der Unfähigkeit, im richtigen Moment das Richtige zu tun. Der Alkohol nimmt sie, wandelt sie in Gelassenheit, zumindest solange er im Blut ist. Danach kommt sie zurück und bringt auch noch ihren großen Bruder mit. Das ist der Preis, den man für den kleinen Urlaub zahlt.
    Eigentlich wollte ich nach dem vernichtenden Angriff der Armee der Finsternis auf das Café ganz vernünftig nach Hause gehen, aber irgendetwas in mir wollte erst noch kurz in die CCCP Bar in der Torstraße, die fast auf meinem Heimweg liegt.
    Dieser Teil in mir hat nach dem ersten Bier gesagt: Bei einem Bier ist der Wirt geprellt. Und nach dem zweiten Bier: Ach komm, du kannst doch ruhig mal ein bisschen was trinken. Und nach dem dritten Bier mit Wodka: Heute will ich noch mal so ausgehen wie früher. Am ehesten passte das Golden Gate zu meinen melancholischen Rückblicken, ein unschicker, improvisierter, roher Club.
    Das Golden Gate befindet sich unter den Gleisen der Hochbahn an der Jannowitzbrücke. Im Osten, direkt an der Spree, auf der anderen Uferseite ist Kreuzberg. Das Golden Gate ist nicht leicht zu finden, jedes Mal wieder suche ich den Eingang, das Vibrieren der Scheiben leitete mich. Den Ausgang hatte ich nach besonders schönen Nächten schon genauso gesucht wie Stunden zuvor den Eingang. Das Vibrieren half dann nicht mehr weiter. Es ist der letzte Abend des verlängerten Wochenendes, der Abend der Deutschen Einheit. Noch recht früh, aber After-Hour-Zeit.
    Der schwarze Vorhang des Eingangs schluckt mich. Wie in jedem guten Club dauert es nicht mal eine Sekunde, bis man auf der anderen Seite des Spiegels angekommen ist. Das Golden Gate ist gut gefüllt, Durchfeierzombies, Queer-Volk und Versacker. Der Club ist düster, dunkel, laut, labyrinthisch. Jenseits aller Konventionen. Er spuckt einen in der Regel erst wieder aus, wenn man komplett durchgekaut wurde.
    Dieser Gefahr bin ich mir im Augenblick noch gerade so bewusst, doch glaube ich, dass ich es schaffen kann, zu widerstehen. Wie Odysseus, den man an den Mast gebunden hatte, um dem Gesang der Sirenen zu begegnen, werde ich es schaffen, nach kurzer Zeit nach Hause zu gehen – ohne Fesseln.
    An der Bar bleibe ich hängen, beobachte die ausgelassene Stimmung und trinke Bier, bis der Harndrang mich in den ersten Stock zu den Toiletten führt. Dort ist ganz schön was los. Die Kabinen sind alle besetzt, und zwar mehrfach. Es wird sich munter unterhalten. Man hört die typischen Drogengeräusche. Hier werden illegale Drogen konsumiert, aber absurderweise gibt es keine Probleme mit Junkies, so wie in meinem Laden. Die kommen einfach nicht hierhin, obwohl sie hier recht frei konsumieren könnten. Vermutlich würden sie aber nicht an dem Türsteher vorbeigelangen. Türsteher – das ist eine gute Idee! Aber ich würde zwei davon benötigen, das erzeugt zu hohe Personalkosten.
    Nicht ohne Stolz antworte ich dem Mann neben mir am Pissoir, bejahe seine Frage nach dem Café und will wissen, woher er mich kennt.
    »Na vielen Dank! Wegen dir Arschloch ist mein Stamm-Burger-King jetzt weg, und ich darf nur noch Döner oder China-Pfanne fressen!«
    Der Mann ist nicht freundlich zu mir. Er ist nicht auf meine Frage eingegangen. Ich will ihm erklären, dass Burger King den Standort bereits im Jahr 2000 aufgegeben hat und dass nicht wir, sondern der Schwulenclub Goldrausch der direkte Nachfolger bis zum Jahre 2004 war und dann noch für ein halbes Jahr ein wildes Konzept betrieben wurde unter dem Namen Trinity. Dass der Name für Trinität stand und dass zwei der Komponenten Table-Dance und Karaoke waren und ich die letzte Komponente nie herausfinden konnte, er aber offensichtlich schon lange am Rosenthaler Platz lebe oder zumindest regelmäßig esse und er mir aufgrund dieser Tatsache vielleicht verraten könne, welche die dritte Komponente war. Andererseits nahm er mich als den direkten Nachfolger von Burger King wahr, was ihn als Augenzeugen unglaubwürdig macht. Ich bin noch nicht ganz fertig mit Urinieren und bitte ihn, doch kurz zu warten, damit ich ihm das alles erklären kann.
    Meiner Bitte folgt er nicht. Er wünscht mir, dass wir möglichst

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