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Für hier oder zum Mitnehmen?

Für hier oder zum Mitnehmen?

Titel: Für hier oder zum Mitnehmen? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ansgar Oberholz
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schnell wieder schließen werden. »Sieht ja ganz danach aus. Nie Leute drin in deinem Laden. Hat noch keiner da geschafft. Mit Kaffee und Brötchen schon zweimal nicht.«
    Er rempelt mich zum Abschied gegen die seit langer Zeit nicht mehr gereinigte, ungeflieste Wand und verlässt die Toiletten. Leicht lasse ich mich aus dem Gleichgewicht bringen, daran bemerke ich, dass ich betrunken bin. Ich stütze mich mit meiner Backe an der Wand ab, um nicht das Pissoir berühren zu müssen.
    Nachdem ich mein Gleichgewicht wiedergefunden habe, schaue ich mir die Stelle an, an der sich meine Wange befand. Tapetenreste, Aufkleber, die für andere Clubs werben. Meine Wange hat den Aufkleber der Band »Cockbirds« berührt, das Bandsymbol ein schwarzer Penis mit seitlichen Flügeln in einem weißen Kreis auf rotem Untergrund. Daneben befindet sich die Signatur » KEGR « mit dem Zeilenumbruch zwischen dem E und dem G. Vielleicht kann mir dieser ungehobelte Burger-King-Fan wenigstens sagen, was das zu bedeuten hat.
    Wut steigt in mir auf, andere Wut, als die mir neu bekannte. Wo war in meinem Leben vor der Gastronomiegründung meine Wut? Ich habe nie welche empfunden. Aber irgendwo muss sie doch gewesen sein. Jeder ist mal wütend. Mir wird klar, ich habe erst in den letzten Wochen Wut leben gelernt, nicht mehr geheim gehalten, und sie macht irgendwie Spaß. Eine sehr gesunde Droge. Schlagartig habe ich Lust auf die Ausübung körperlicher Gewalt.
    Das Spülen spare ich mir, nicht aus umweltschonenden, sondern aus hygienischen Gründen. Den Typen knöpfe ich mir jetzt mal vor. Der Club ist noch voller geworden, er ist das Sammelbecken für die Endfeierer der Deutschen Einheit. Ist ja auch ein Jubiläum heute. Ich streife durch den Club, die Wirkung des Adrenalins lässt mit der Zeit nach und die Lust auf Konfrontation und körperliche Gewalt damit auch.
    Möglicherweise könnte ich Magnus bitten, mich morgen den ganzen Tag zu vertreten. So, wie er es heute Abend getan hat. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass er in den Lüftungsraum kam, mein Kopf lag noch betäubt auf dem Schreibtisch. Erst als er mich umarmte, bemerkte ich ihn. Er zog sich quietschend einen Stuhl heran und setzte sich zu mir. Er gab mir den Rat, einfach mal eine absolute Pause zu machen. Einfach nach Hause gehen und alles loslassen. Er werde den Abend hier für mich zu Ende managen.
    Sein Vorschlag fühlte sich sofort gut an, erleichternd. Ich war in einer Sackgasse gelandet. Die Vorstellung, gleich hinunter zu gehen, diese sinnlose Geistaustreibung zu vollziehen, lähmte mich. Ich konnte nicht. Mein Kopf befahl es, mein Körper verweigerte den Einsatz. Nur damit meine abergläubigen Mitarbeiter befriedigt wären, dabei schaffte ich es ja noch nicht einmal, die Lebenden aus meinem Laden zu vertreiben.
    Magnus versprach, auch das zu übernehmen, er wolle Aurinia sagen, dass wir einfach den folgenden Neumond abwarten sollten. Er werde das auch Dolores beibringen. Das Gefühl, einen kleinen, unerwarteten Urlaub vor mir zu haben, erfüllte mich mit Dankbarkeit Magnus gegenüber. Aber ich hatte ihn noch zur Rede stellen wollen in Bezug auf seine sexuellen Kontakte mit meinen Mitarbeiterinnen. Vor allem, weil er mich vor ihnen vertreten würde. Nachdem ich seinen Vorschlag dankbar angenommen hatte, schnitt ich das Thema harmlos an.
    »Sag mal, Dolores und du, seid ihr jetzt ein Paar?«
    »Nein!«
    Magnus machte es mir nicht einfach, aber ich musste es jetzt wissen. Wenn ich schon nicht herausfinden konnte, mit wem ich eine Affäre hatte, dann könnte ich das wenigstens für Magnus tun und dann dem Ausschlussprinzip folgend auch auf mein angebliches Sexleben Rückschlüsse ziehen.
    »Aber eine Affäre habt ihr schon miteinander?«
    »Nein, wie kommst du denn darauf?«
    »Weil ihr euch körperlich augenscheinlich sehr nahesteht und das ganze Team über euch redet.«
    »Ja, wir waren mal schön zusammen im Bett, aber komm, wir leben doch im wilden Berlin im einundzwanzigsten Jahrhundert, und du warst doch früher absolut kein Kostverächter.« Er lacht echt mit einer kleinen Prise Aufgesetztheit. »Und heute, was man so hört, lässt du ja auch nichts verbrennen oder wie man das sagt.«
    Ohne auf seine Andeutung einzugehen, wies ich ihn darauf hin, dass er Sex haben dürfe, mit wem er wolle, aber bitte nicht mit Kolleginnen.
    »Das ist ein ungeschriebenes Gesetz. Das ist doch in Schweden sicherlich auch bekannt, oder nicht?«
    »Doch, doch, ich weiß auch, dass das nicht gut

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