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Für immer am Meer - Henry, V: Für immer am Meer

Für immer am Meer - Henry, V: Für immer am Meer

Titel: Für immer am Meer - Henry, V: Für immer am Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Henry
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Normalerweise lief das umgekehrt. Wenn eine ihm gefiel, brauchte er nur mit dem Finger zu schnippen, und schon war sie da. Langbeinige, schlanke Mädchen, die nach teurem Parfum dufteten. Aber keine hatte ihn je sprachlos gemacht. Und er war sich auch nicht sicher, ob ihm das wirklich gefiel. War das etwa die berühmte Liebe auf den ersten Blick? Und wenn ja – was dann? Er wusste ja nicht mal, ob Florence einen Freund hatte, ob nicht jeden Augenblick irgendein cooler Typ in Röhrenjeans und Kurt-Cobain-Frisur hier aufkreuzen und sie für sich beanspruchen würde.
    Harry konnte den Blick nicht von ihr abwenden. Sie wirkte selbstbewusst, unbefangen, gesellig. Offenbar hatte sie selbst die Essensvorbereitungen übernommen, und was sie auftischte, war erste Sahne: in Honig und Ingwer marinierte Hähnchenschenkel und dazu ein von ihren Eltern etwas misstrauisch beäugter Couscous-Salat mit Olivenöl und fein gehackter frischer Petersilie.
    »Nach einem Rezept von Jamie Oliver«, verkündete sie, und alles schmeckte absolut köstlich.
    Für den Nachtisch schnitt sie Bananen der Länge nach auf, besprenkelte sie mit Rum und drückte kleine Stückchen Schokolade hinein. Dann wickelte sie sie in Alufolie und legte sie in die letzte Glut des Grillfeuers. Die Carrs akzeptierten es einfach, dass dieser Phoenix sich aus ihrer Mitte erhoben hatte, und beugten sich brav den kulinarischen Vorlieben ihrer Tochter.
    Harry sah ihr zu, wie sie ihre Banane aß. Sie saß im Schneidersitz auf der Picknickdecke, ihre Locken umspielten ihre Schultern, während sie mit einem Plastiklöffel den süßen Brei aus der Schale schleckte. Ein unbändiges Verlangen überkam ihn, am liebsten hätte er ihr das klebrige Zeug von den Lippen geleckt, sie mit Haut und Haar verschlungen. Das Gefühl war so überwältigend, dass es ihn beunruhigte. Es war purer animalischer Instinkt.
    Harry zuckte zusammen, als sie aufblickte und ihn anlächelte. Sie wusste genau, was mit ihm los war.
    »Gehen wir?«, fragte sie und warf ihren Pappteller in den Mülleimer.
    Selbst Wildpferde hätten ihn nicht aufhalten können.
    Harry kannte das »Ship Aground« wie seine Westentasche. Hier hatte er mit dreizehn sein erstes Bier getrunken, mit vierzehn das erste Mädchen geküsst und seinen sechzehnten Geburtstag gefeiert. Und die letzten drei Sommer hatte er als Hilfskellner in dem kleinen Pub gejobbt. Er kannte die ganze Belegschaft, sie waren fast wie eine zweite Familie für ihn. Der Laden lebte hauptsächlich von den Stammgästen und den Dauersurfern und hielt sich auf der Höhe der Zeit durch den steten Strom der Sommerurlauber, die seinen dörflichen Charme mochten.
    Der Pub war bereits brechend voll, als er mit Florence eintrat. Sie schoben sich durch die Menge bis zum Tresen, Harry nickte einigen Bekannten zum Gruß zu. Er bestellte zwei Bier.
    Die Open-Mic-Night war der Knaller. Die Leute stiegen nacheinander auf die Bühne, um ihr Stück zu singen. Einige hatten wirklich Talent, andere trafen keinen einzigen Ton. Harry und Florence fanden tatsächlich Sitzplätze, zwei Barhocker an einem aufgestellten Fass in einer Ecke, mussten aber ziemlich eng zusammenrücken, um sich bei dem Lärm verständigen zu können. Sie redeten über Musik, über das alljährliche Festival von Glastonbury (sie war da gewesen, er nicht) und das beste Konzert, das sie je gehört hatten (er: Red Hot Chili Peppers, sie: Beyoncé Knowles). Als eine Möchtegern-Alanis-Morissette von der Bühne ging, stellte Florence ihr Glas ab.
    »So«, sagte sie, »jetzt bin ich dran.«
    Er sah ihr fasziniert nach, als sie tatsächlich auf die Bühne stieg, sich kurz mit dem Drummer und dem Gitarristen beriet und dann ans Mikrofon trat. Er war noch nie jemandem begegnet, der so selbstbewusst war. Da war kein Zögern, keine Spur von Nervosität. Florence lächelte ins Publikum. Als die ersten Akkorde erklangen, applaudierten ein paar Leute. Auch Harry kannte das Stück; es war von Joan Armatrading, ein Lieblingssong seiner Mutter. Mit diesem Zeug – Joan Armatrading, Fleetwood Mac und Genesis – hatte sie ihn und seine Schwester auf langen Autofahrten immer genervt, als sie noch klein waren. Bis ihre Kinder schließlich die Kontrolle über den CD -Spieler des Autos übernommen hatten.
    Beinahe flüsternd stimmte Florence »Love and Affection« an. Während sie den Text ins Mikro hauchte, trafen sich ihre Blicke.
    Harry blieb die Luft weg. Ihm wurde heiß und kalt zugleich, sein Herz raste, er bekam

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