Fuer immer Ella und Micha
brauche sie in meiner Nähe, nicht Tausende von Meilen weit weg. Aber wie kann ich ihr sagen, dass ich bereit bin, mit ihr in ihre Zukunft aufzubrechen, solange sie selbst keinen Schimmer hat, wie diese Zukunft aussehen soll?
Kapitel 4
Ella
Allmählich frage ich mich, ob mein Leben ewig so sein wird, ob ich immer wieder in Star Grove lande, in dem Haus, das meine Kindheit festhält.
Hier hat sich nichts verändert. Die Regenrinne ist noch durchgebrochen, die Müllsäcke stapeln sich neben dem Haus, und auf dem Feuerholzstapel vor der Garage steht der alte Oldsmobile-Cutlass. Die Fassade bröckelt nach wie vor ab, und von dem Baum neben meinem Fenster sind einige Äste abgebrochen.
Ethans Truck parkt in der Einfahrt. Ethan selbst sitzt auf der hinteren Verandatreppe und ist mit seinem Handy beschäftigt. Ich steige aus dem Mietwagen, der aussieht wie eines dieser Autos, in die sich grotesk aufgeblähte Clowns umständlich hineinquetschen.
Ethan blickt auf und staunt, als er den Wagen sieht. »Was ist das denn für ein schrilles Teil?«
»Es war der billigste bei der Autovermietung.« Ich setze mich neben ihn und strecke die Beine aus. »Ist er drinnen?«
»Ja, gleich auf der Couch eingepennt, nachdem ich ihn nach Hause geschafft hatte.« Er steckt sein Handy ein und rollt die Ärmel seines grauen Henley-Shirts hoch, sodass seine zahlreichen Tattoos zum Vorschein kommen.
»Du hast ein neues.« Ich zeige auf ein Tattoo, bei dem es sich um ein lateinisches Zitat handelt.
Nickend streicht er mit dem Finger drüber. »Habe ich vor ein paar Wochen stechen lassen.«
Mit Blick zu Michas Haus nebenan frage ich: »Wie schlimm war es, ihn aus der Bar zu holen?«
Er neigt den Kopf nach vorn und sieht auf den Boden. Sein schwarzes Haar fällt ihm ins Gesicht. »Er hat sich ziemlich aufgeführt und sogar Denny eine verpasst, als wir ihn raus zum Wagen schafften.«
Ich lasse mich nach hinten fallen und stütze mich auf den Ellenbogen auf. »Tut mir leid, dass du ihn holen musstest. Mir fiel kein anderer ein, den ich anrufen konnte.«
»Ich bin auch nicht sauer deswegen. Mich stört bloß, dass du den ganzen Weg herkommen musst, um dich um ihn zu kümmern.« Er klingt unglücklich.
»Was?« Jetzt bin ich verwirrt.
Er zupft an einer ausgefransten Stelle an seiner Jeans. »Ich finde es zum Kotzen, wenn Kinder die Rolle der Eltern übernehmen müssen.«
»Reden wir hier noch über mich?«, frage ich und sehe ihn an. »Oder gibt es etwas anderes, was du mir erzählen möchtest … zum Beispiel etwas, das mit dir zu tun hat?«
»Mir geht’s gut.« Er stupst mich mit der Schulter an. »Die Geschichte spare ich mir für ein andermal auf.«
»Aber du erzählst nie was«, erinnere ich ihn.
»Du auch nicht«, kontert er. »Außer bei Micha.«
»Ja, ist wohl so«, sage ich unabsichtlich laut, und er wirft mir einen merkwürdigen Blick zu. »Egal. Ich gehe mal nach meinem Dad sehen, und vielleicht können wir dann etwas essen fahren. Ich lade dich ein, nachdem du dich mit diesem Mist herumschlagen durftest.«
»Ach, und darüber soll ich mich freuen?«, scherzt er mit einem spöttischen Grinsen. »Dass ich mit dir esse?«
Ich ziehe eine Grimasse und gehe in die Küche. Hinter mir fällt die Fliegentür zu. Staubflocken schweben durch die Luft, und ich wedele mit der Hand vor meinem Gesicht. »Gott, das riecht, als wäre hier irgendwo ein totes Tier.«
»Das liegt daran, dass keiner geputzt hat, bevor ich weg bin.« Mein Dad erscheint in der Tür. Er hat ein weites grünes T-Shirt an und eine von Fettflecken übersäte Jeans. Seine Haut hat ein bisschen Farbe bekommen, seit ich ihn zum letzten Mal gesehen habe, und er wirkt ein bisschen jünger. Seine Augen aber sind so blutunterlaufen wie immer. Er ist nicht betrunken, nur verkatert, was bei ihm genauso gefährlich sein kann.
»Ich dachte, ich hätte sauber gemacht.« Ich blicke mich um. Auf den braunen Küchenarbeitsflächen stehen lauter Wodka- und Tequila-Flaschen, und auf dem Tisch stapeln sich überfällige Rechnungen. »Dad, warum bist du aus der Entzugsklinik abgehauen?«
Er sackt auf einen Stuhl, beugt sich vor und vergräbt das Gesicht in den Händen. »Die wollten, dass ich über deine Mutter spreche.«
Mir wird sehr unwohl. »Sicher war das hart für dich, aber Weglaufen löst das Problem nicht. Dadurch wird es nur noch schlimmer. Glaub mir, ich weiß das.«
»Dir glauben?« Er hebt den Kopf und reibt sich über das stoppelige Kinn. »So wie ich dir
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