Fuer immer Ella und Micha
»Bist du hier oben?«
Sie kommt mit einer Handvoll Marker aus ihrem Zimmer und sieht mich erschrocken an. »Wie bist du hier reingekommen?«
»Lila hat mich reingelassen«, erkläre ich. Mein Atem bildet eine Nebelschwade zwischen uns. »Hast du die Heizung nicht angestellt?«
Ella verneint stumm und geht zum Bad. Sie trägt ihre Lederjacke und fingerlose Handschuhe. Im Bad hockt sie sich hin und kritzelt etwas auf den Fußboden.
Vorsichtig nähere ich mich ihr, weil ich weiß, dass dies hier etwas Wichtiges bedeuten muss. »Was machst du, Hübsche?«
Sie zeichnet eine schwarze Linie entlang einer Fliese. »Ich mache einen Schrein … Und nenn mich bitte nicht Hübsche.«
Ich gehe hinter ihr in die Hocke und halte die Luft an, als ich meine Hände auf ihre Schultern lege. Ella wehrt mich nicht ab, verspannt sich aber merklich. »Du kannst dir nicht vorstellen, wie leid es mir tut.«
Sie malt einen Kreis um eine Frau mit Flügeln und einem Cupcake in der Hand. »Es muss dir nicht leidtun. Ich bin nicht wütend auf dich.«
Perplex ziehe ich die Brauen zusammen. »Was ist dann los?«
Sie schattiert die Augen des Engels und malt die Kerzenflamme auf dem Cupcake aus. »Nichts, außer dass ich recht hatte – in allem.«
Ich streiche ihr das Haar zur Seite, während sie Ich liebe dich unter die Füße des Engels schreibt. »Recht womit?«
Sie schreibt Ich liebe dich, Mom, und herzlichen Glückwunsch nachträglich zum Geburtstag. Dann schließt sie den Stift mit der Kappe, steht auf und dreht sich zu mir. »Dass ich dich zerstöre.«
Sprachlos starre ich sie an, doch Ella drängt sich an mir vorbei und läuft in ihr Zimmer. Damit hatte ich keine Sekunde gerechnet.
Ich hole sie ein, als sie schon die Tür schließen will, und schiebe sie wieder auf. »Du zerstörst mich nicht, Ella May. Wie kommst du auf so eine absurde Idee?«
»Ich komme darauf, weil es wahr ist.« Sie wirft die Marker auf ihre Kommode. »Jedenfalls tun es meine Probleme.«
Ich beiße mir auf die Lippe und fürchte, dass meine Stimme kippen könnte. »Du weißt genauso gut wie ich, dass man im Suff schon mal verletzende Sachen sagt, die man nicht so meint.«
Sie schluckt. »Manchmal meint man sie doch so.«
»Ich meinte es garantiert nicht. Gott, ich wünschte, ich könnte die Zeit zurückdrehen, denn dann würde ich mich ohrfeigen, solche Worte auch bloß zu denken.«
»Tja, das geht leider nicht«, haucht sie leise. »Und ich glaube, dass ich dies hier ganz lassen sollte. Ich hätte es gar nicht erst anfangen dürfen. Ich soll mich nicht auf Beziehungen einlassen, ehe ich etwas mehr mit mir im Reinen bin, aber mit dir in der Nähe funktioniert das nicht. Ich muss dich nur ansehen und fühle mich wie eine Ertrinkende.«
»Ich verstehe nicht, was das heißt«, sage ich unsicher. »Ist das gut oder schlecht?«
Sie schnaubt frustriert, legt sich bäuchlings auf ihr Bett und vergräbt das Gesicht in den angewinkelten Armen. »Es könnte gut sein, wäre ich nicht so verkorkst … Wenn ich bei dir bin, werde ich vollkommen von dir verschlungen.«
Ich steige zu ihr auf das Bett und lege behutsam eine Hand auf ihren Rücken. »Ist dir bewusst, dass du noch nie so offen zu mir warst?«
Sie wirft mir einen Blick zu. »Ja.«
Ich streiche ihr Haar zur Seite. »Ethan hat mir heute etwas Komisches vorgeschlagen. Er meint, wir beiden sollten vielleicht ehrlicher miteinander sein, statt uns dauernd gegenseitig beschützen zu wollen.«
»Ich denke, du warst in der Garage ziemlich ehrlich«, erwidert sie kühl. »Micha, wenn du es beenden willst, dann tu es jetzt, denn sollte es so weitergehen, würde ich eine solche Szene kein zweites Mal überleben.«
»Du hast keine Ahnung, wie wichtig du mir bist.« Ich steige vom Bett und strecke ihr meine Hand hin. Es ist Zeit, dass wir uns richtig öffnen. »Kommst du mit mir?«
Ella sieht misstrauisch auf meine Hand. »Wohin?«
»Das ist ein Geheimnis.« Ich zwinkere ihr zu, verhalte mich ruhig, obwohl ich schreckliche Angst habe, dass sie nicht mit mir geht – dass ich alles ruiniert habe, wofür ich so hart gekämpft hatte. »Aber ich verspreche dir, dass es gut wird.«
Sie legt ihre Hand in meine, vertraut mir, und ich kann wieder atmen. Im Geiste schwöre ich, sie nie wieder zu verletzen.
Kapitel 17
Ella
»Okay, manchmal verstehe ich dich echt nicht.« Mein Blick wandert über den Park voller verbogener Stahlrohre und leerer Träume. Es ist der Spielplatz, auf dem wir aufgewachsen sind, wo
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