Für immer, Emily (German Edition)
und blieben schweigend davor stehen. Acht Jahre war es her, seit sie gestorben war. Acht Jahre, die Niclas ohne sie hatte verbringen müssen. Acht Jahre, die auch Ashley Delaney sicher liebend gerne mit ihrem Sohn verbracht hätte. Es hatte mittlerweile aufgehört zu regnen, nur ein heftiger Wind zerrte an den Bäumen und wirbelte die Blätter durch die Luft. Viele alte Eichen standen hier, und Emily dachte unwillkürlich daran, dass es im Sommer sicher schön sein musste, hier unter den Bäumen im Schatten auf einer Bank zu sitzen und dem Zwitschern der Vögel zu lauschen. Sie sah vorsichtig zu Niclas hoch, der sich noch nicht gerührt hatte. Er stand reglos da, die Blumen hielt er immer noch in der Hand.
Emily musste heftig schlucken, als sie den Kummer in seinen Augen sah. „Nic, möchtest du lieber einen Moment alleine sein? Ich kann hier ein wenig herumlaufen, das macht mir nichts aus.“
Er senkte den Blick, und es schien fast so, als käme er von weither zurück. „Nein. Nein, danke. Bleib hier, bitte.“
„Okay, sicher, ich dachte nur …“
„Ich weiß. Ich weiß ...“ Niclas drückte kurz ihren Arm, dann ließ er sie los und kniete sich vor das Grab. Für einen Moment verharrte er still, schließlich legte er die Blumen auf die feuchte Erde und zog eine Kerze und ein Feuerzeug aus seiner Jackentasche. Er zündete das Licht an und stellte es nach hinten vor den Grabstein. Er blieb noch einen Moment in dieser Haltung, dann erhob er sich und murmelte: „Lass uns gehen, es ist kalt, du wirst dich noch erkälten.“ Er schien kurz zu zögern, doch dann streckte er die Hand nach Emilys aus. So liefen sie schweigend zum Auto zurück, und es erschien keinem von ihnen peinlich oder unpassend, sich an den Händen zu halten, es war völlig natürlich und fühlte sich gut und richtig an. „Ist es okay, wenn ich dich jetzt nach Hause bringe?“, fragte er, als sie wieder im Auto saßen.
Emily nickte. „Natürlich.“ Sie spürte, so sehr er sie jetzt auch gebraucht hatte, und so dankbar er ihr war, dass er jetzt ein wenig alleine sein musste mit seinen Gedanken, Gefühlen und seinem Kummer um den Verlust seiner Mutter.
Als er den Wagen vor ihrem Haus anhielt, drehte er sich zu ihr um. „Danke. Danke, dass du da warst, Emily. Das bedeutet sehr viel für mich.“
Sie lächelte. „Ich war gerne für dich da, wirklich. Du hast mir mal angeboten, dass ich immer zu dir kommen kann, und das Gleiche gilt für dich. Bis dann, Niclas. Ruf mich an oder komm vorbei, wenn du willst, okay?“
Er nickte, und Emily hätte ihn am liebsten schon wieder in die Arme genommen. Stattdessen jedoch stieg sie schnell aus und winkte ihm noch einmal zu, bevor sie in den Flur trat, wo Ben schon sehnsüchtig auf sie wartete.
Niclas parkte den Wagen in der Garage und ging dann langsam ins Haus. In den Räumen war es dämmrig, doch er machte kein Licht. Er zog Jacke und Schuhe aus und ging nach oben in sein Zimmer. Dort streifte er die Jeans ab und zog das Hemd aus, bevor er sich auf sein Bett fallen ließ und nach oben an die Decke starrte. Und dabei nicht verhindern konnte, dass sich seine Augen mit Tränen füllten. Acht Jahre. Acht Jahre Schuld. Er sah das Gesicht seiner Mutter vor sich, hörte ihr Lachen und bildete sich ein, ihren Duft zu riechen. Sie war der wichtigste Mensch in seinem Kinderleben gewesen, er hatte sie sehr geliebt. Er vermisste sie bis zum heutigen Tag und würde es vermutlich bis zum Ende seines Lebens tun. Dennoch hatte er sich im Laufe der Jahre daran gewöhnt, dass sie nicht mehr bei ihm war und es nie wieder sein würde. Es tat immer noch weh, an sie zu denken, und daran, wie es wohl gewesen wäre, wenn sie nicht gestorben wäre. Aber es war wohl wirklich so, dass der Mensch sich mit allen Situationen arrangieren konnte, die er nicht zu ändern vermochte. Dagegen würde er seine eigene Rolle bei den Vorkommnissen von damals niemals vergessen oder akzeptieren können. Er hatte gelernt, mit dem Schmerz um den Verlust seiner Mutter zu leben, er hatte einen Weg gefunden, für sich damit umzugehen, doch nun war ein neuer Schmerz hinzugekommen. Einer, mit dem er nicht gerechnet hatte, und der viel mehr wehtat, als er es je für möglich gehalten hätte: Die Sehnsucht nach Emily, und die Ahnung, was sein könnte ...
Er wischte sich fast zornig über die Augen, und in diesem Moment piepste sein Handy. Eine Nachricht von Emily.
‚ Hi Nic, wollte dich nur wissen lassen, dass wir an dich denken, und
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