Für immer, Emily (German Edition)
neuem aufgerissen worden. „Mom, ich rufe an wegen dem Rezept für die Blaubeermuffins, kannst du es mir bitte durchgeben? Ich wollte sie gerne heute backen.“
„Oh, ja, natürlich. Bekommst du Besuch?“
Emily seufzte innerlich. „Nein, nicht direkt. Ich hab einfach Lust drauf.“
„Aha. Was heißt denn nicht direkt? Du musst doch wissen, ob du Besuch bekommst oder nicht.“ Die Stimme ihrer Mutter klang etwas nervös.
„Niclas kommt vorbei. Wir lernen zusammen. Er kommt aber nicht zum Kuchenessen, wenn du das meinst, er wäre sowieso gekommen.“
„Niclas? Der Junge, der neben dir sitzt?“ Ihre Mutter dehnte seinen Namen.
Emily verdrehte die Augen. „Ja, Niclas. Wir arbeiten zusammen an einem Projekt für den Geschichtsunterricht, ich hab dir davon erzählt.“ Sie sah ihre Mutter vor sich, wie sie die Augenbrauen hochzog und skeptisch schaute.
„Emily, Schatz, er kommt zu dir nach Hause? Alleine?“
„Ja, sicher kommt er alleine.“
Emilys Stimme klang ein wenig schnippisch.
„Das meine ich doch nicht. Ich meine, ob du und er, ob ihr alleine im Haus seid?“
„Och, Mom, ja, wir sind alleine im Haus. Obwohl, nein, stimmt nicht, Ben ist da.“ Sie atmete tief durch. „Mom, es tut mir leid, ich wollte nicht unfreundlich sein. Ich weiß, du machst dir Sorgen. Entschuldige bitte. Ich hab dich sehr lieb. Und du musst dir keine Gedanken machen, ich vertraue Niclas voll und ganz. Er mag manchmal schwierig sein, aber er ist keiner, der mir wehtun würde. Wirklich nicht. Okay?“ Sie hörte den Atem ihrer Mutter und wusste, sie hatte jetzt einen bekümmerten Ausdruck auf ihrem hübschen Gesicht.
„Okay. Entschuldige du bitte auch, Emily. Du wirst bald achtzehn, und ich frage dich aus wie eine Zehnjährige. Es tut mir leid.“
„Schon gut. Es ist für uns alle nicht immer leicht. Gibst du mir jetzt das Rezept? Ich würde gerne gleich mit dem Backen anfangen.“
Bald darauf verabschiedete Emily sich von Kate, mit dem Versprechen, sie am Abend noch einmal anzurufen und auch beste Grüße an Dorothy und ihre Familie auszurichten. Sie legte das Telefon weg. „So dann wollen wir mal sehen, ob wir das hinbekommen“, sagte sie zu Ben. Sie stellte das Glas mit den Blaubeeren auf den Tisch. „Denkst du, Niclas mag Blaubeermuffins?“ Dann drehte sie sich um und holte eine Schüssel aus dem Schrank. „Na ja, ist ja auch egal.“
Aber Niclas mochte Blaubeermuffins, und so saßen sie beide am Nachmittag zusammen, tranken Kaffee und futterten Emilys Muffins, die ihr wirklich gut gelungen waren.
„Wow, die sind lecker, die hast du selbst gemacht?“
„Ja, war nicht so schwer.“ Sie lächelte etwas verlegen.
Niclas betrachtete sie forschend. Dieses Mädchen war so anders als alle anderen. Sie war still und wirkte scheu und manchmal unendlich verletzlich. Vermutlich fühlte er sich gerade deshalb so wohl mit ihr. Er mochte es sich nur ungern eingestehen, aber das tat er. Er war gerne mit ihr zusammen, es war einfach schön, sich mit ihr zu unterhalten. Sie flirtete ihn nicht an, schob nicht ihren Rock höher und zupfte ihren Ausschnitt tiefer, so wie es viele der Mädchen taten, wenn er in ihrer Nähe auftauchte. Im Gegenteil, trotz der langsam stärker werdenden Vertrautheit zwischen ihnen, hatte er nach wie vor das Gefühl, dass sie immer noch darauf achtete, ihm nicht zu nahe zu kommen. Er respektierte das und passte ebenfalls auf, dass er sie nicht in Verlegenheit brachte. Er kannte den Grund für dieses Verhalten nicht, aber Emily kannte ihn, und das hatte ihm zu genügen.
„Magst du noch einen?“
Emilys Stimme drang zu ihm durch. Er nickte. „Ja, gerne. Sie schmecken wie die von meiner Mom.“ Seine Stimme war leiser geworden bei diesem Satz.
Sie sah ihn aufmerksam an. „Ja? Das freut mich, denn sie kann sicher viel besser backen als ich.“
Er sah sie an und murmelte: „Sie konnte gut backen, ja. Meine Mutter ist tot.“
Er sagte das fast gleichgültig, aber Emily sah für einen Moment tiefen Kummer in seinen Augen.
„Oh, Niclas, das tut mir leid, das wusste ich nicht.“ Sie klang bekümmert.
„Schon okay. Das konntest du ja auch nicht wissen. Es ist auch schon lange her. Sie ist vor acht Jahren gestorben. Also, vor fast acht Jahren.“ Er senkte den Kopf und bröselte ein wenig von dem Muffin ab.
Emily schluckte und überlegte krampfhaft, was sie jetzt sagen könnte. Sie hatte plötzlich dieses übermächtige Bedürfnis, ihn zu trösten, ihm etwas zu sagen, was ihn
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