Für immer, Emily (German Edition)
Ratte‘, und ‚Los, rück den Kram raus!‘ Schließlich rollten ein paar Apfelsinen über den Boden, und der Kreis lichtete sich ein wenig. Ein kleiner Junge bückte sich nach einer aufgerissenen Papiertüte, und zwei dunkelbraune Augen sahen sie verstört an. Emmanuel Montez! Der kleine Emmanuel, der sie im Kopierraum eingeschlossen hatte, war es, der hier zum Spielball für Bentz und seine Kumpane wurde. Offensichtlich war er von seiner Mutter zum Einkaufen geschickt worden, und die Clique wollte ihm nun seine Einkäufe wegnehmen oder ihn einfach nur quälen. Während Emmanuel sie noch ansah, packte Rocco ihn im Nacken und schüttelte ihn wie eine nasse Katze hin und her. „Muss ich noch deutlicher werden, Kleiner? Gib mir die Tüten. Ihr kleinen Mexikanos braucht sowieso nicht so viel zu essen, ihr seid schon fett genug.“
Emily sah die Tränen, die in Emmanuels Augen schossen, und konnte seine Angst förmlich spüren. Obwohl ihr Herz zum Zerspringen klopfte, sie das Gefühl hatte, ihre Knie würden sich gerade in Gummi verwandeln und sie kaum Luft bekam, so sehr erinnerte Rocco sie an einen von ihnen, trat sie nach vorne. „Lasst den Jungen los! Sofort! Schämt ihr euch nicht?“
Rocco, der Emmanuel immer noch am Kragen gepackt hielt, hob den Kopf und sah sie fast überrascht an. Dann legte sich ein Grinsen auf sein Gesicht. „Oh, seht nur, die kleine Ratte hat offenbar eine Freundin gefunden.“
Die vier Jungs um ihn herum lachten, und Rocco schüttelte Emmanuel erneut. Dann wandte er sich wieder an Emily. „Hau lieber ab, Kleine! Das hier geht dich nichts an, okay? Also, verschwinde einfach.“
Emily starrte Emmanuel an, dem mittlerweile Tränen über die Wangen liefen, und sie fühlte trotz ihrer fast unerträglichen Angst Zorn in sich aufsteigen. Gott, der Kleine war acht Jahre alt. Und so trat sie einen Schritt nach vorne und packte Emmanuel am Arm. „Lass ihn los, hab ich gesagt! Er ist doch noch ein Kind. Was soll denn das?“ Ihre Stimme zitterte, war aber schon deutlich lauter als vorhin.
Rocco starrte sie fast überrascht an, ließ den Kleinen aber zu ihrer Verwunderung tatsächlich los. Emily zog ihn zu sich herüber und fühlte, wie sehr der kleine Kerl zitterte.
Rocco fixierte sie mit seinen kalten, grauen Augen. Sie sah deutlich, dass er wütend war, dennoch sagte er mit einer fast beunruhigenden Freundlichkeit: „Emily, richtig? Weißt du, du bist noch ziemlich neu hier und kennst dich noch nicht richtig aus, was ich dir mal zugute halten werde. Was du hier gerade machst, ist zwar mutig, aber auch sehr, sehr dumm.“
Emily versuchte, seinem eigenartig lauernden Blick standzuhalten. „Ach ja? Ich finde es eher dumm, wenn fast erwachsene Menschen kleine Jungs herumschubsen und ihnen ihre Sachen stehlen wollen.“ Sie schluckte heftig und versuchte, den Kloß in ihrem Hals loszuwerden, der jedoch mit jeder Sekunde dicker zu werden schien.
Rocco nickte. „Ja, das kann ich verstehen. Aber, wie gesagt, du bist neu hier, hast keine Ahnung von den Regeln und solltest dich besser nicht in Dinge einmischen, die dich nichts angehen.“ Er wechselte einen Blick mit seinen Kumpels, die Emily neugierig musterten. „Also, verschwinde einfach und lass uns machen, okay?“
Emily hörte die Schärfe in seiner Stimme, und für einen Moment schoss ihr durch den Kopf, sein Angebot anzunehmen und wegzulaufen. Fetzen von Bildern, die sie dringend verdrängen wollte, zogen vor ihrem inneren Auge auf und ihre Knie drohten jeden Moment nachzugeben. Doch sie wusste, wenn sie das jetzt tun würde, würde sie nie wieder in den Spiegel sehen können. Wenn sie sich umdrehen und Emmanuel Rocco und seiner Clique überlassen würde, würde sie sich ihr Lebtag dafür schämen. Vielleicht würden sie ihm gar nichts Schlimmes tun, das war sogar ziemlich wahrscheinlich, denn Rocco war zwar ein Angeber, aber bestimmt nicht dumm. Er würde sicher nicht den kleinen Sohn des Hausmeisters seiner Schule verprügeln, aber dennoch, sie konnte das nicht tun, auf keinen Fall! „Okay, ich verschwinde, das ist eine gute Idee. Aber Emmanuel nehme ich natürlich mit.“ Emily hörte fast verwundert die Worte, die aus ihrem Mund kamen. Sie wusste, sie stand in diesem Moment vor Rocco wie das Kaninchen vor der Schlange. Es war vermutlich unmöglich, nicht zu bemerken, dass sie vor Angst fast umkam. Sie versuchte, ihm möglichst fest in die Augen zu schauen, aber sie hielt diesem Blick kaum stand, denn die Erinnerungen an die
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