Für immer, Emily (German Edition)
die über Freundschaft hinausgingen. Er konnte das nicht. Er konnte sie nicht lieben. Liebe bedeutete nur Kummer und Schmerz. Liebe bedeutete, verletzlich zu sein, den Menschen verlieren zu können, der einem alles bedeutete. Das konnte er nicht ertragen. Nicht noch einmal.
Er wusste, sie brauchte ihn jetzt und er würde sie nicht im Stich lassen. Würde ihr ein Freund sein, wie er es ihr versprochen hatte. Ein Freund, der für sie da war. Es spielte keine Rolle, was er selbst dabei empfand, sie war jetzt wichtig, sonst nichts. Und so zog er Emilys Kopf an seine Schulter und verbarg sein Gesicht in ihren Locken. Sie saßen ganz still, sie weinte jetzt nicht mehr, und es schien fast, als ob die Welt den Atem anhalten würde, es gab nur sie beide. Sie waren sich so nah wie noch nie zuvor und doch unendlich fern.
Irgendwann bemerkte Niclas, dass Emily in seinen Armen eingeschlafen war. Sie war völlig erschöpft, und er brachte es nicht über sich, sie zu wecken und nach Hause zu fahren. Er rückte vorsichtig ein Stück von ihr ab, umfasste sie sanft und ließ sie sachte zurücksinken. Er hob ihre Beine hoch, legte sie auf die Sitzfläche der Couch und zog ihr vorsichtig die Schuhe aus. Dann stand er leise auf und holte eine Decke, die er über ihr ausbreitete. Wie friedlich sie jetzt aussah. Er ging neben ihr in die Hocke und betrachtete das schlafende Mädchen. Es war unglaublich verwirrend, wie sich alles entwickelt hatte. Nie hätte er das für möglich gehalten. Und noch nie hatte er sich so durcheinander gefühlt. Er seufzte und stand auf. Mara und ihre Familie würden sich sicher Sorgen machen, wo Emily abgeblieben war. Und da war auch noch Ben, der versorgt werden musste. Niclas warf einen Blick auf Emily, die tief und fest zu schlafen schien, dann verließ er das Zimmer und zog die Tür hinter sich zu. Er ging die Treppe nach unten und wollte im Telefonbuch nach der Nummer der Panabakers suchen, denn er besaß keine Handynummer von Mara oder Andrea. Doch dann fiel sein Blick auf Emilys Handy, das auf dem Tisch im Wohnzimmer lag. Er zögerte kurz, doch schließlich griff er danach und suchte Maras Nummer heraus. Er wählte, und sie meldete sich so hastig, als ob sie schon lange auf den Anruf gewartet hätte.
„Emily, Gott sei Dank! Wo steckst du denn, ich hab mir schon Sorgen gemacht?“
Niclas lauschte ihren Worten, dann sagte er vorsichtig: „Mara, hier ist Niclas. Ich wollte dir nur kurz Bescheid sagen, dass es Emily gut geht. Sie ist hier bei mir.“
Er hörte, wie am anderen Ende der Leitung jemand überrascht nach Luft schnappte. „Niclas? Wie bitte? Was soll denn das heißen, es geht Emily gut, sie ist bei dir? Wo genau ist sie denn? Ich warte schon seit einer Ewigkeit, dass sie sich meldet, und hab mir totale Sorgen gemacht. Hol sie mir doch bitte ans Telefon, ich möchte selbst mit ihr sprechen.“
„Das geht im Moment leider nicht, sie schläft.“
„Sie schläft? Bei dir? Niclas, sag mir jetzt sofort, was los ist! Emily schläft doch nicht einfach so bei dir ein. Geht‘s ihr nicht gut? Was hast du gemacht?“
Fast hätte Niclas gelacht, denn das war wieder mal typisch, dass Mara sofort vermutete, er könnte Emily etwas zuleide getan haben. Andererseits konnte er es ihr nicht verübeln, er sah ja selbst, wie verletzlich Emily war. „Ich hab gar nichts gemacht, zumindest nichts Schlechtes, was du ja wohl gerade von mir annimmst.“ Er erzählte ihr mit wenigen Worten, was passiert war, erwähnte dabei allerdings nicht, wie durcheinander Emily gewesen war und wie sehr sie geweint hatte. Das konnte sie Mara selbst erzählen, wenn sie wollte. „Es ging ihr nicht gut, was ja verständlich ist. Ich hab sie mit zu mir genommen, wir haben etwas gegessen, ein bisschen ferngesehen und dann ist sie eingeschlafen. Sie war sehr müde und erschöpft, und ich wollte sie nicht wecken. Das ist alles.“ Er konnte Mara richtig vor sich sehen, wie sie die Stirn runzelte und missmutig vor sich hin starrte.
„Du hast Emily geholfen?“ Sie klang misstrauisch.
„Ja, natürlich.“
„Hm, na ja, also, das war wirklich sehr nett von dir. Dieser Bastard von Rocco.“ Leichtes Zögern, dann sagte sie leise: „Danke, Niclas. Und es geht ihr wirklich gut?“
Niclas hörte Maras Sorge um ihre Cousine deutlich. „Ja, keine Angst, es geht ihr gut. Ach ja, ich wollte dich noch bitten, dich um Ben zu kümmern. Geht das?“
„Ja, natürlich. Er ist sowieso hier bei uns. Aber, sag, wieso hast du Emily denn
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