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Für immer in Honig

Für immer in Honig

Titel: Für immer in Honig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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kriegen würde, echt … also, was du alles auswendig weißt, Junge, echt, daß dir nicht der Kopf vom Hals springt und davonläuft, das ist ein echtes Wunder.«
    Rainer Utzer zündete sich nun auch eine Zigarette an, in letzter Zeit rauchte er viel und immer auf Lunge. »Ja, chh, ja«, hustete er, »das stimmt. Du kriegst es bezahlt. Alles muß nämlich bezahlt werden, Kinder. Denn nichts auf der Welt gibt es jemals geschenkt.«
    5  Fette, die in Wirklichkeit viel schöner hieß, nämlich Julia, schrieb Andy einen Brief, weil sie ihn vermisste. Ihre Eltern waren von Brombach weggezogen – nach Lörrach, weil ihr Vater da eine neue Arbeit hatte ergattern können, die zwar nicht besser bezahlt, aber befriedigender war, wie er sagte. Deshalb, und natürlich aus anderen, hö flich verschwiegenen erzieherischen Gründen, sollte Julia nicht mehr in der Stadt zur Schule gehen, in der Andy Witter lebte und wo auch der Treff gewesen war. Ursprünglich war sie überhaupt nur dort zur Schule gegangen, weil diese Stadt mit dem Zug oder Bus von Brombach aus so leicht erreichbar war. Lörrach hatte, sagte Julias Mutter, »ja eigene Schulen, die bestimmt nicht schlechter sind als das Gymnasium in Andys Stadt«. Als Julia noch Fette geheißen hatte und Andys Freundin gewesen war, sah man sie kaum auf jener Schule.
    Julia war traurig, daß Andy, so oft, also selten, sie sich jetzt trafen, vor allem in Lörrach natürlich, wo er mit Teufel manchmal hinfuhr, einfach gar nicht zeigen wollte, daß ihm das alles was bedeutete, im Guten wie im Schlechten: daß Julia abgenommen hatte, daß Julia keine Punkette mehr war und jetzt Platten von den Ärzten kaufte, die er als »Pseudopunks« und »Geldsäue« verachtete, daß Julia neue Freundinnen und Freunde gefunden hatte, die Julia zu ihr sagten, und daß ihr das auf eine leicht melancholische Art durchaus gefiel. Ihre Eltern bestanden darauf, daß sie sich »jetzt mal langsam dahinterklemmen« sollte: Das Abitur war so weit weg nicht mehr, und eins haben wollte sie doch, oder zog sie’s etwa vor, arbeitslos und doof zu bleiben und womöglich ein schlimmes Ende zu nehmen wie Zetta, Teufels arme Freundin? Nein, stimmte ja alles, war schon richtig: lieber Abitur haben, nicht arbeitslos und doof sein und enden wie Zetta, Teufels arme Freundin.
    Julia achtete nicht auf die Lehrerin vorn, die was von Zahlenstrahl und Kontinuum brabbelte – soll sie das doch Philip Klatt erzählen, war der nicht mal Mathelehrer gewesen? –, sondern trennte ein Blatt kariertes Papier sorgsam, fast zärtlich, rrratschraschel vom Block, auf dem sie eigentlich nützliches Zeug von der Tafel kopieren sollte, und schrieb:
    Hallo Andy,
    Nun kommt endlich der versprochene Brief. Wie geht’s dir denn so? Mir geht’s ganz gut. Wir haben gerade eine Englischarbeit geschrieben. Echt Scheiße! Wir haben jetzt gerade Mathe, das ist wieder saumäßig interessant, wir besprechen gerade die Intervallschachtelung. Die Woche jetzt war total stressig: 3 Arbeiten, deshalb hatte ich bis heute noch keine Zeit, dir zu schreiben, und den anderen (schon geschriebenen) Brief wollte ich nicht abschicken.
    Du kannst mir ja auch mal wieder schreiben und ein Bild von dir schicken.
    Apropos Bild. Das Bild, das ich dir schicke, ist auch schon wieder veraltet. Ich war gestern nämlich beim Friseur und jetzt sind die Haare ungefähr noch 2-3 cm lang. Na ja, jetzt sind sie halt mal richtig kurz. Aber bis in 4 Wochen sehe ich wieder so aus wie auf dem Bild. Ach ja, ich hab die Haare auch noch rot gefärbt. Um noch was zur Schule zu sagen: Ich bin echt froh, daß ich die Schule gewechselt hab. Hier in Lörrach ist es echt gut. Die Leute hier und überhaupt alles ist nicht so konservativ wie bei euch. Ich fühl mich echt wohl hier. Wenigstens ist der Frust am Morgen aufzustehen nicht so groß. Und die Klasse ist auch nicht übel. Ach ja, danke noch für den Anruf gestern, das war ja echt chaotisch. Tut mir leid, aber ich hab gestern die totale Panik gehabt. Ich hab den ganzen Mittag gelernt, und abends sollte ich noch den Geburtstag meines zweijährigen Bruders veranstalten. Na ja, das war um 18 Uhr dann. Was hast du denn gestern noch gemacht? Übrigens ich ruf dich Donnerstagabend mal an, vielleicht hab ich Glück und du bist daheim (das soll jetzt keine Verpflichtung für dich sein, daheim zu bleiben).
    Oh je, noch 15 Minuten dann klingelts und dann haben wir noch ne Stunde Mathe. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie öd das ist. Das

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