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Für immer in Honig

Für immer in Honig

Titel: Für immer in Honig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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spielte Valerie halblaut mit.
    »Habt ihr auch Riesenkraken, die einen in den Tod reißen?« alberte Stefanie weiter.
    »Heute nicht«, sagte Valerie.
    Skribas vollendete Umdrehung enthüllte, wie der Zombotiker von hinten aussah: Vom Nacken aufwärts war das Fleisch gespalten, die rückwärtige Kopfabdeckung aufgeplatzt, die drahtartigen Haare, die den Rand besetzten, krümmten sich angezupft verbrannt.
    Das Ganze, registrierte Stefanie, sehr gegen ihren Willen fasziniert, glich einem aufgeschlagenen Ei – nicht einem von der Sorte, die Hühner – oder, der Größe nach, Strauße – legen, dafür war der Rand zu weich, obwohl er aus Knochenplatte bestand, eher war es ein zu groß geratenes Überraschungs-Ei, das ein Teufelchen mit spitzen Reißzähnen angebissen hatte, um ans schöne Spielzeug zu gelangen, das drinsteckte, in diesem Fall eine Portion Hinterhirn, ein wenig Stammhirn, viel knotiger biotischer Kabelsalat.
    Skriba schlurfte vor ihnen her wie der alten Kastellan in der Burg des bösen Grafen, allerdings: gar nicht mal so schwerfällig, wenn man ihm ein paar Meter folgte, fast schon Pinguingleiten auf Eis.
    Stefanie konnte nicht länger hinsehen, ihr wurde leicht beschämt bewußt, daß sie Zombotikern im Alltag nach Möglichkeit aus dem Weg ging, ganz selten das Halbdunkel aufsuchte, in dem sich diese Geschöpfe der Mythizin bevorzugt aufhielten. Immerhin: Eine Zombotikerin hatte mal an Stefanies altem Kölner Fernseharbeitsplatz als Tippse rumgehangen; die hatte Stefanie allerdings nicht gegrüßt, nie direkt angesehen, obwohl sie zweifellos besser konserviert gewesen war als dieser Bursche hier.
    Auf jedem Tisch stand oder hockte ein ausgestopftes Tier: Dort drüben war’s ein Dachs, direkt rechts gab es zwei Biber, die gegeneinander auf den Hinterbeinen standen, in putziger Umarmung erstarrt, direkt links, wo noch niemand saß, entdeckte Stefanie eine Schüssel voller regloser Insekten, deren Gliedmaßen wie Nadeln durcheinander stachelten, und auf dem Tisch, an den Stefanie und Valerie endlich geleitet wurden, war zwischen zwei Kerzen ein Vogel aufgestellt worden.
    »Das ist ’ne Drossel«, flüsterte Valerie kundig. Das Köpfchen nach oben gereckt, den rechten Flügel erhoben, als wollte sie gleich losflattern, wirkte der Vogel auf Stefanie ungewöhnlich kunstvoll präpariert.
    »Ich bitte, Platz zu nehmen«, näselte Skriba, der den Gästen nun wieder seine intakte Schädelseite zukehrte. Bewegten sich da wirklich zwei der braungelben Zähne gegeneinander im Mundwinkel, oder …?
    Stefanie rutschte unbeholfen auf dem Kissen zurecht, fand es dann aber bald sehr bequem und vermutete, daß die seitwärts angewinkelten Beine doch nicht so schnell einschlafen würden, wie sie zuerst befürchtet hatte, beim ersten Blick auf die andern Gäste. Jetzt kam sie sich jedenfalls sehr damenhaft vor, das war schon was.
    »Vier Männer kamen 1706 nach Kalifornien, suchten dort Gold«, sagte der Kellner, apropos gar nichts. »Ihnen wurde zum Mahl aufgetragen, was die meisten, die hierherkommen, am Ende bestellen – in diesem Fall war es die Leber des Tierchens, gegrillt … Einer aß ein kleines Stück, einer hat’s gekaut, doch nicht geschluckt, einer hat seinen Teil nur angefaßt. Der erste starb nach dreißig Minuten, der zweite kurz darauf, der dritte blieb einen Tag lang bewußtlos – ohne Welt und Wahrnehmung, wie ein Stein, nicht wachzukriegen. Als er wieder zu sich kam, war er völlig unbeschadet, als wäre nichts geschehen. Der vierte, der die verdächtige Speise nie auch nur angerührt hatte, litt nichts.«
    Stefanie war vor dem gemeinsamen Aufbruch zum Flüsterlokal von Valerie vage aufgeklärt worden, hatte auch selbst Gerüchte gehört, daß es in Berlin solche Gaststätten mit solchen Spezialitäten gab. Dieser Einschüchterungsmummenschanz aber war ihr jetzt doch zu schauerlich: »Erzähl mir noch mal, Valerie, warum wir das kosten müssen. Und was das kostet, was man da so kostet, wenn man sich … öhh … köstlich ver… köstigt mit dieser Kost.«
    Valerie hielt die Hand vor den Mund, prustete mädchenhaft und sagte dann blinzelnd: »He, du solltest echt mal zu Harald Schmidt! Du bist ja noch viel typischer als Sarah. Und Sarah ist voll typisch.«
    Stefanie verdrehte die Augen; belustigt, besänftigt.
    »Ich besorge die Speisekarte«, sagte Skriba und verschwand durch ein niedriges Loch in der Wand zwischen der Küchen- und der Toilettentür in irgendein kafkaisches Kontor.
    Die haben

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