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Für immer in Honig

Für immer in Honig

Titel: Für immer in Honig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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aggregierbar, übers Platten aufl egen und Messerwetzen und Sichanschreien. Ein anderer, seines Zeichens Kritiker, interessierte sich nebenbei für neue Wissenschaften, Computer und Hirnverpflanzungen, und brachte dieses Wissen in Zeitschriften unter, wo man ein Axon nicht von einem Toxin hätte unterscheiden wollen dürfen, schrieb keinen Satz, ohne seine Beleidigtheit darüber reinzubacken, daß er seine kostbare Meinung überhaupt mit unberechenbaren Lesern teilen sollte, anstatt daß man sie ihm gleich von der Götterstirn ablas. Ein weiterer war sogar Schauspieler, also mindestens so arg ins kosmische Geheimnis eingeweiht wie eine echte Diplom-Jeansverkäuferin bei H&M, verlangte dafür aber, daß man ihm täglich neue Mädchen auf den Schoß setzte, denen er unters T-Shirt greifen und dazu Anekdoten darüber erzählen konnte, wie er neulich wieder mal fast an seiner eigenen Koks- und Fuselkotze erstickt wäre.
    Diese Welt griff alles an, was irgendeinen Wert hatte, allein dadurch, daß sie existierte.
    Man hätte zum Gegenangriff übergehen sollen, aber, aufgepaßt: Warum eigentlich? Dieser plötzliche Dreher im Kopf war lustig, lustiger jedenfalls als die zwei Theater-Muppets da drüben.
    Ach so: Kein Grund, bitter zu werden. War das mein Gedanke? Ihrer? Mischte sich was? Valerie nahm einen Schluck aus dem Wasserglas, das Skriba neben den Fugu-Innereien aufgetragen hatte, während Stefanies Pupillen sich weiteten: »Ist dir übel? Val… Valerie … bissu … in … Otnung?«
    Zur Antwort lachte Valerie nur leise und dachte, sich noch mal das Hirn jenes andern in ihr ausleihend: Warum sollte ich was anderes sein als in Ordnung?
    Was mich hier heilt von vielen Sorgen, die ich niemals hatte, was mir hier hilft, zu denken wie einer, der sich in mir verstecken will, aber längst jenseits ist von Weglaufen und Sichverkriechen, was mir hier nützt, weil es in feinsten Spuren durch mich rast, sind ja schließlich heilige molekulare Splitter einer der gefährlichsten nicht auf Proteinbasis aufgebauten Substanzen, die es je gegeben hat: 160.000-mal effektiver als Kokain, 60-mal toxisch potenter als Strychnin, chemische Formel: C11 H17 N3 O3 .
    Die absolute Sicherheit, daß es mir nicht antut, was es, wie ich an deiner verwaschenen Stimme merken muß, dir leider gerade antut, Stefanie, kommt daher, daß ich jetzt wirklich weiß, daß ich eine W bin, daß ich verstehe, was es bedeutet, wenn die älteste Musik sagt: Menschen sind aus anderen Menschen zusammengesetzt, nicht bloß aus sich selber. Wenn wir das wissen. Dann werden wir. Das Ständchen spielte die Begleitstimme:
    The mountain mine
From invisible time
I am next in line
    »Du kannst … mich kss… liebs … liebs du mich nich?« fragte Stefanie, mit schwerer Zunge, ihr Unterkiefer klappte kastendeckelig runter, fühlte sich schon an wie ausgehängt.
    Eher beiläufig, sehr traurig trotzdem, fing sie an zu weinen. Sie hatte die Kontrolle über ihre Motorik verloren und verzweifelte still – die Finger hielten die Gabel noch, die auf dem Teller leise klapperte zu allen Versuchen, sie noch mal zu heben.
    Traurigkeit war stärker als das Restchen Wille.
    Tut mir leid, sagte völlige Dunkelheit, die wie Tinte um Stefanies Hirn floß, einziger Erlebnisinhalt: Wirst du mich begraben, wenn ich weg bin, lehrst du mich was, während ich hier bin? Sobald ich irgendwo hingehöre, muß ich nämlich abhauen. So geht das W-Sein. Immer fraglicher wurde also, ob es eine Chance gab, ob Schöninchen sie nicht vielleicht doch irgendwie zurücklieben konnte.
    »Tut mir leid«, sagte jetzt auch Valerie, ganz deutlich und klar, detachiert, aber nicht teilnahmslos: »Ich lieb’ halt schon wen andern. Da hab’ ich dich aber auch nie drüber belogen, weißt du. Aber es tut mir trotzdem leid.«
    »Wen … wen … we… », wurde Stefanie leiser und leiser, im Vergessen, Verbetteln, im Verfehlen von Hoffnung. Ihre Lider flatterten, Stirn und Wangen erbleichten, alles kühlte sich ab, während Valerie wärmer und wohler wurde. Der jungen W schienen sich neue Nervenverbindungen in eben erst gefundener Freundschaft miteinander zu verknüpfen.
    In Wirklichkeit war selbstverständlich nur eine andere geometrische Perspektive auf diese Verbindungen angeknipst worden, in Valeries Zentralnervensystem, aber das genau machte eben ihr Erwachen aus, das echte Geheimnis des Dr. Rock: Valeries Ich, das Substrat der Person, das sie war, fand gegenständlich raus, daß »Geometrie« im Grunde der

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