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Für immer in Honig

Für immer in Honig

Titel: Für immer in Honig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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Markt im Griff hatte, dem gehörte die ganze Stadt. Rainer Utzers Leute zeigten also Präsenz wie bestellt. Astrid hatte nichts gesehen, was auf Unruhe hindeutete. Weiber, Männer, Kinder, Alte gingen ordentlich, fröhlich und heimatfromm den unschuldigen Vergnügungen nach, die hier geboten waren, keine Zecke weit und breit, bloß ein paar inzwischen gewaschene Ex-Punks, die a ffi ge Gesichter schnitten, wenn sie glaubten, Astrid schaue grad nicht hin. Sie ließ es durchgehen, Übereifer wird als Schwäche wahrgenommen.
    Eine aus Philips alter Schutzbefohlenenbande war ihr aufgefallen, das ehemals dicke Mädchen – war die nicht mit Andy zusammengewesen? Jetzt stand sie jedenfalls mit zwei anderen Frauen in dem Würstchen­wagen, den Behnke so gefräßig frequentierte, und drehte das Fleisch auf dem Rost, kassierte ab, reichte der Kundschaft Pappteller mit Kartoffelsalat. Vom frechen verschlampten Straßenkind zur Jobberin resozialisiert, kein schlechter Erfolg.
    Astrids Freude war jedoch nicht ungetrübt. Es roch zum Beispiel nicht so gut auf dem Markt, dieses Jahr. Das lag an mehreren SA -Männern, die halbe Ewigkeiten tot gewesen waren und jetzt Auxilia der Doktertruppen bildeten. Er hatte sie erst vor sehr kurzem mit seiner Nekromantie aus dem tiefen Schlaf wachgesprochen, auf Anweisung des Bürgermeisters. Sie waren keine große Hilfe, liefen hauptsächlich hin und her, in Räuberzivil, zwischen den Büdchen. Kinderschrecknummer. »Menschen riechen eben schlecht, wiederbelebt, in dieser unvollkommenen Zeit, selbst wenn fast alle Verwesungsprozesse rückgängig gemacht wurden«, lehrte der Dokter, »vielleicht im Ausgleich dafür, daß Menschenfleisch von ganz neu Toten recht gut schmeckt, wie mir Zombotiker immer wieder erzählen, ein bißchen süßlicher als Schwein, sonst fein. Wenn man Teile erwischt, die nicht vollgesogen sind mit Fett, kann man angeblich nix Besseres kriegen, ich kenne Auferstandene, die lecken sich danach alle Finger.«
    Astrid legte das Gewehr weg und bedeutete dem Budenwart, daß er ihr die Gewinne nicht auszugeben brauchte. Beim Metzgerwagen stand jetzt Andy, mit Gina Weil, kein erfreuliches Omen. Er gestikulierte und pöbelte rum, das Mädchen hinterm Tresen, seine Exfreundin, erschrak.
    Astrid lief los: Das da würde bald entgleisen, wenn sie nicht gleich was unternahm.
    Joachim Behnke hoppelte kurzatmig hinterher wie Klopfer aus »Bambi«, stramme kleine Beinchen, den Mund mit Mayo verschmiert, die Brauen krausgezogen, der Einsatzleiter des Kommandos »Schlaraffenland«.
    Der außer Kontrolle geratene Junge vor dem Wurstwagen brüllte gegen Mary J.s Musik an: »Ich komm’ hoch und tunk’ dir die Fresse ins Frittierfett!«
    »Andy, laß den …«, wehrte das entsetzte Mädchen ab, der Expunk aber schwang jetzt einen Baseballschläger.
    »Aahh, Fickscheiße!« brüllte Astrid, die Nerven sangen ihr Sirenenlied im Rückenmark, die heiße Waldpilz-Tütensuppe, die sie vorhin zuhause gegessen hatte, schwappte ihr im Bauch, und der Ingwerplätzchengeschmack im Mund war schal und talgig geworden. Andy holte aus und schlug einen Senfeimer von der Glastheke.
    Das Mädchen kreischte, die Frau, die neben ihr stand, hielt sich die Hände vors Gesicht.
    Dann hieb Andy noch mal zu, da splitterte das Glas. Leute schrien, liefen auseinander, während Astrid plötzlich gestreift wurde, am schwar­zen Ärmel ihres neuen Ledermantels, von etwas irgendwie Feindlichem. Ohne lang zu überlegen, schlug sie hart zur Seite aus. Damit hatte sie Philip Klatt sauber erwischt. Er taumelte gegen einen in ein Metallgestell gehängten blauen Plastiksack, wischte beim Torkeln mit dem Bein dagegen, trat in den Rahmen und fiel hin. Astrid war augenblicklich bei ihm. Sie fing ihn, als er vornüber kippte, und sagte, das Geschrei vom Wurstwagenprogrom im Rücken: »Mensch, Philip, Scheiße, was willst jetzt du denn hier auch noch?« Philip lachte, bellte, machte einen Kußmund, daß auch Astrid lachen mußte.
    Aus seiner Nase lief das knallroteste Blut, das sie je gesehen hatte. Dann sagte er, während sie ihn stützte, damit er sein gefangenes Bein aus dem Müllsackgestell befreien konnte: »Ja, schon gut. Zusammengeschlagen hast du mich schon länger nicht mehr. Ich dachte schon, bei uns wär’ die Luft raus – weißt du, so wie bei Ehepaaren, die nicht mehr vögeln, weil die Gewohnheit …«, er unterbrach sich selbst mit Kichern, Astrid schüttelte den Kopf.
    »Der Dealer! Da rennt der Dealer! Aschtrid, pack

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