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Für immer in Honig

Für immer in Honig

Titel: Für immer in Honig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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zerschlagen hatte, ließ Valerie in schnellem Lauf den Stadtpark links liegen und bewegte sich zielstrebig nach Südwesten, während verschlammte Schützenpanzerwagen mit rostigen Türen zu ihrer Rechten auf die ehemalige Szenekneipe »Irrlicht« zurasten, in der sich, obwohl Räumkommandos des Bürgermeisters den Laden vor Tagen schon dichtgemacht hatten, offenbar heimlich ein paar Obdachlose, Junkies und Jugendliche versteckten.
    Valeries Haare wehten. Aus dem Innern des mit Brettern verrammelten Schuppens drang Geschrei. MP -Garben wurden auf die Barrikaden abgefeuert. Vom Stadtinnern her hörte Schöninchen Sirenen.
    Der Wind war trocken und eiskalt. Überm Dach der alten Post stiegen zwei scharlachfarbene Leuchtkugeln mit grellroten Rauchschwänzen in die Luft. Valerie duckte sich zwischen zwei Autos, als die Schützenpanzerwagen abrupt abbremsten und zwei Handvoll Sturmtruppen auf die Straße spuckten.
    Rückwärts, schleichend, die Hand fest um den Griff der schlanken Stahlflamme eines Centofante-Kampfmessers geschlossen, schlich Valerie bis zur alten Apotheke. Eine dunkle Menschenhand, völlig von Fell bedeckt, legte sich auf ihre Schulter.
    Zwei Messer schlitzten von innen den Stoff der Reisetasche auf, schossen als hungrige Blitzfische in die Höhe und blieben mit den Spitzen direkt vor den Augen des Wesens in der Luft stehen, das sich neben Valerie gestellt hatte. Die Zunge hing dem Mann mit dem Wolfskopf feucht aus der Schnauze. Er sah sie fragend an. Sein Name war lange Hans gewesen, aber die ihn während der letzten Jahre gekannt hatten, waren daran gewöhnt gewesen, ihn »Teufel« zu nennen. Jetzt war er, ein W, der sein Leben aufgerollt und in sich verkrümmt verbracht hatte, vom Flächenbrand geweckt worden, und trug das verfluchte Haupt des Lykaion.
    Teufel blickte Schöninchen in die Augen, sah siedendes Wasser und diamantenes Feuer. Mitleid bekam er deshalb mit ihr, legte den Kopf in den Nacken und heulte. Valerie sah aus den Augenwinkeln das Mündungsfeuer und warf sich rechtzeitig auf den Boden. Die Kugeln zerrissen dem Wöl fling Brust und Schädeldecke. Valeries Messer sanken zu ihrer Choreographin hinunter. Sie folgten ihr. Schöninchen kroch auf dem Bauch, wendig wie eine Schlange, von der Stelle weg, auf die jetzt sechs Soldaten mit klackenden Stiefelabsätzen eilig und in Wut zurannten, unterm Gebrüll von Kommandos, aus zerrissenen Mündern.
    6  Der Fuß des Dokters beendete mit seinem Tritt Philips Angriff auf Schorschs schmalen Verstand. Astrid packte dafür diesen Fuß sofort am Knöchel, Stiefel hin, Stiefel her. »Astrid, hör auf, sei doch wieder nett«, grinste der Dokter, sein erstklassiger Humor verließ ihn auch unter Endspielbedingungen nicht.
    Dann kippte er, von ihrem ausschwingenden Arm am Fuß nach vorn gerissen und aus der Balance gebracht, ächzend nach vorn, während Astrid sich aufrichtete. Der Kopf des Dokters schlug einen langen Sprung ins niedrige Glastischchen, auf dem Frau Flaschs Porzellan-Obstschale Staub ansetzte.
    Männer warfen sich auf Philip, er erkannte nicht, wer und wie viele. Sie traten ihn, sie hauten ihn zusammen.
    Seine Zunge schwoll an, trotzdem fühlte er damit in seinem zertretenen Mund nach Zähnen, schmeckte und schluckte Blut, würgte auch was davon aus, drückte mit der Zungenspitze einen entwurzelten Zahn aus dem Mund, spuckte ihn auf den schmutzigen Boden, neben eine in ihrem Karton eingetrocknete Pizza.
    Gina zerschmiß an seinem Kopf eine Blumenvase, in der nichts als abgestandenes Wasser war. Philip hatte die letzten verreckten Blumen der Frau Flasch vor zwei Wochen endlich draußen auf den Kompost geworfen.
    Immerhin gelang es Astrid, sich nicht nur ihrer Haut zu wehren, sondern echten Schaden anzurichten. Eine nackte Ferse, die einem in die Eier tritt, tut weh: Das lernte Andy gleich zu Anfang, knallte dann mit der Hüfte gegen das Gehäuse des Dual-Plattenspielers und sank, anstatt sich weiter blöd zu exponieren, wimmernd in die Ecke. Abgesehen vom Dokter, der sich groggy zur Seite drehte und dabei fragte, was hier eigentlich gerade schiefging, begriffen die Angreifer erst nach ein paar Minuten voller Blessuren, daß es nicht so einfach war, wie sie geglaubt hatten, zwei verschlafene Nackte allezumachen. Müßten unbekleidete Liebende nicht psychologisch besonders schutzlos sein, fragte sich das Reptilienhirn des Achim Behnke, sich unterwerfen, tierhaft geduckt?
    Menschen, im Grunde Herden-, besser: Rudeltiere, beziehen Ichgefühl

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