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Für immer in Honig

Für immer in Honig

Titel: Für immer in Honig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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Schulklasse ihrer jeweiligen Söhne begegnen sollten, litten während der Schwangerschaft alle beide eine Zeit lang nachts unter sogenannten Urge-Inkontinenzbeschwerden und boxkampfartigen intrauterinen Ruhestörungen.
    Die betreuenden Frauenärzte kamen in beiden Fällen zu dem Schluß, daß hier sämtliche Symptome des sogenannten FTS (»Fighting Twin Syndrome«) vorlagen, obwohl sonographische wie Laboruntersu chungen (Katecholaminspiegel etc.) eindeutig bestätigten, was man wiederum eigentlich eh schon gewußt hatte: Keine der beiden Frauen trug Zwillinge unterm Herzen, weshalb es natürlich überhaupt nicht möglich war, daß Zwillinge in ihnen miteinander kämpften.
    Gabriele Rolf lernte schnell, mit dem Schaden zu leben, der später, großes Aufatmen, dann auch von anderen, herkömmlichen Schwangerschaftsbeschwerden abgelöst wurde. Irmgard Klatt dagegen tat, was ihr der Arzt mit entschuldigendem Lächeln geraten hatte: Gelegentliches kurzes Läuten mit einem zu diesem Zweck angeschafften Glöck­chen und geduldiges Auszählen mit ruhiger, fester Stimme bis zehn brachten das Phänomen nach drei Wochen zum Verschwinden.
    »Wie sind Sie darauf bloß verfallen?« fragte Frau Klatt, als es geklappt hatte, und der Arzt schmunzelte: »Na ja, wenn diese Symptome auftreten, bei Frauen, die tatsächlich Zwillinge erwarten, dann raten wir zu dieser … Symptomkur, um die Streithähne zu beruhigen. Da hab’ ich mir dann halt gedacht: Was bei tatsächlichen Kindern hilft, warum sollte das bei Gespensterzwillingen schädlich sein?«
    Man soll in den Unterschied zwischen dem, was den beiden Frauen geschah und was sie dagegen unternahmen, nicht zuviel Bedeutung hineinlesen. Stattdessen merkt Euch lieber: Nicht alles, was man schon vor der Geburt auf den Lebensweg mitbekommt, ist unbedingt genetischer Natur.
    3  Da waren wir also wieder, alle beisammen, im großen und im kleinen Kreis.
    Wir waren schon einmal hier. Ihr erinnert euch? Einer fehlte, der dich aus Ägyptenland geführt hat, und wer zu spät kam, war ein Proletarier aller Länder. Jennifer und Freddy näherten sich in ihrem kleinen Auto der Stadt, das Radio wußte eh Bescheid, da sang einer aus der Großfamilie Country seine Bluegrassweisheit:
    Well, I think I’ll leave tomorrow
I’m tired of this old town
But it won’t be hard to find me
If you look down on the ground
    Sie kamen von Zell her. An der südlichen Steigung des Bergleins, das Glaskopf hieß, fuhren sie auf eine Panzersperre auf und wurden von Wehrmachtssoldaten angegriffen. Das Maschinengewehrfeuer sprengte die Heckscheibe und durchlöcherte den Kofferraumdeckel.
    »Fickt euch, ihr dicken Nazisäue!« rief Jenny erfreut und fuhr drei der Grauberockten übern Haufen, trat das Gaspedal fast durch den Boden, während Freddy den Kopf einzog und sich mit den Armen gegen das Handschuhfach stemmte. Das Fenster neben ihm ging zu Bruch, er biß sich in die Zunge. Wind pfiff von der Seite schneidend in den Wagen. Schüsse vom Berg, den die Halbverwesten runtergestolpert kamen, schlugen in den rechten Hinterreifen, Funken stoben, als das Rad den Asphalt anriß.
    Jenny lachte aus voller Seele, nahm eine Kurve so, daß ein Motorradsoldat ausweichen mußte und durch die Leitplanke schlug, und als Freddy brüllte: »Willst du uns killen oder was wird das-das-das hier für ein-ein-ein blöder Schwachsinn ! «, schlug sie ihm mit der flachen Hand gegen den Hinterkopf: »Wir müssen in die Stadt! Hör auf zu heulen!«
    Die Barrikade war genommen, der Wagen ruckte, rumpelte und schaukelte wie verrückt. Die Feldgrauen hatten Jennifer nicht aufgehalten, das war das einzige, was sie interessierte.
    Keine fünfzehn Kilometer weiter rasteten die andern Teile des Mechanismus ineinander.
    »Und jetzt müssen wir die neue Front begradigen, Kinder«, seufzte der Dokter. Dann spuckte er vor dem Zaun auf den Boden und schnellte auf seinen elastischen Beinmuskeln in die Höhe. »O.k. Dann wollen wir mal.« Auch diesen Herrn machte nämlich ein Geschwätz nicht satt. Solidarität auf militärisch nennt man Ehre. Er faßte in seine rechte Manteltasche, wo der Schlagring ruhte, und schritt energisch zwischen den zwei drahtumzäunten Gartenflügeln auf die Haustür aus dunklem Kastanienholz zu.
    An dieser Stelle muß ich mich korrigieren, wegen der Ungenauigkeit, auch leichten Unaufrichtigkeit beim ersten Durchlauf. Etwas anderes als das, was dann bloß erläuternd da stehen konnte, weil die Umstände es nicht anders erlaubten

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