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Für immer in Honig

Für immer in Honig

Titel: Für immer in Honig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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schwarzem Holz; Glöckchen klingeln drüber leise, es sieht aus, als hingen sie am Himmel selber. Er sitzt auf seinem Filmregisseurs-Klappstuhl und raucht, die Beine übereinandergeschlagen, schlank, ja hager, vornehm auch: vielleicht der Berater oder Kundschafter einer englischen Majestät, hier im ehemaligen Mandatsgebiet. Das heißt, ich weiß ja gar nicht, ob der Flecken Sand, auf dem wir lagern, noch zum ehemaligen britischen Mandatsgebiet Palästina gehört.
    Ich weiß nicht, wo ich bin, und warum ich im Land hin und her gebracht werde, als ob man mich verstecken will, ein bewegliches und also schwer zu treffendes Ziel. Heute durfte ich wieder mit dem Schwarzen aus Amerika fliegen, in einer dieser bleigrauen alten Militärmaschinen.
    Die Startbahn ist nicht weit vom Zelt, gegenüber der, weiß nicht: Soll man das eine Farm nennen? – jedenfalls funktioniert unser Camp dort bauernhofartig, soweit ich dergleichen beurteilen kann – und der Rest ist eine vollständige Militärinstallation, inklusive Flughafen, also Hangar – kleiner als die Scheunen, die ich von meinem Vater her kenne – ein Tower – wenn ich nicht irre, sitzen die Flugwarte drin auf der Höhe eines Freibad-Dreimeterbretts herum –, Exerzierplatz, Messe und so fort.
    Ein kleines Gebäude zu religiösen Zwecken steht auch da, eingestampfter Wasserturm, dient den Juden als Synagoge. Muslime gibt es zu wenige, als daß die ein eigenes Gebäude kriegen würden – zehn bis fünfzehn sind es, aber die veranstalten ihr Ding wohl in der Messe. Einen Muezzin habe ich noch nicht rufen gehört, könnte aber sein, daß der sie einfach über Gehörimplantate erreicht: Rücksichtsvolle Lösung, müßte man sagen, wenn es so wäre. Der Amerikaner ist mit mir eine Viertelstunde geflogen, ins Landesinnere, nehme ich mal an – alles, was nicht ans Meer führt, halte ich seit gut zwei Jahren fürs Landesinnere – und es war so schön wie beim letzten Mal: dieses vollkommene Blau, und unter uns die herrliche Ockerwelt. Erde ist Sand, daran denkt man nicht, jedenfalls habe ich in Deutschland nie dran gedacht: Wir bauen auf Sand, ob auf märkischen oder den reicheren alemannischen Dreck meiner Heimat, das bleibt sich gleich.
    Ich wußte, daß es unser Filmregisseur war, der dem Schwarzen aufgetragen hat, mich auf diesen Botengang, oder was es sonst war, mitzunehmen. Wir landeten auf einem Kleinstflughafen ganz ähnlich dem, von dem wir gestartet waren.
    Ich hielt Abstand, als er mit den Soldaten dort zusammenkam, saß auf einer Mauer rum, die bloß so hoch war, daß sie den Ziegen bis zu den Schultern ging, und schaute Kindern beim Spielen zu: Baseball oder Softball oder was es da für Varianten gibt, jedenfalls mit Schläger und Rennen und Handschuhen. Ich kann immer noch kein Hebräisch – »Lomed«, höhnt Skriba immer, wenn sie ihn fragen, wann ich es endlich können werde – »Er lernt«, von wegen. Das einzige, was ich vom Spiel der Kinder dort auf der andern Basis, nah der großen Wüste, verstanden habe, waren ein paar Zahlen, wahrscheinlich Punkte: »Schiwa, Schima …«
    Dann kam der Amerikaner – John? Jerry? – aus der großen Baracke mit olivgrünem Dach zurück und winkte mich zu einem Jeep: »Skriba sez I gotta show you da desert.«
    »I know the desert. I’ve lived in this country now for what, five years, six?« wehre ich halb verärgert ab, was soll das wieder für ’ne alberne Lehrstunde sein? Seit zwei Jahren, gelegentliche Ausflüge ans Meer, sehr selten auch mal nach Jerusalem abgezogen, bringt er mich immer wieder von Wüstenabschnitt zu Wüstenabschnitt, ich kenne gar nichts anderes mehr, was soll das also, mir die Wüste zeigen?
    Aber ich schlappe natürlich doch mit.
    Die Kinder beachten uns nicht, als wir quer über ihr Spielfeld gehen, der Ami in seinen schweren Stiefeln, ich in meinen Hippiesandalen, Hände in den Taschen, ganz sicher finstersten Gesichts.
    Aus einem Büro plärrt sehr dünn alte Rockmusik, dicht am Boden der Hund vor dem Gebäude duckt sich unterm Krach weg, legt die Schnauze in den Sand, wäre vielleicht lieber eine Schlange, schlängelt ein bißchen, es klappt aber nicht. Ich steige in den Jeep, John / Jerry fährt los, schweigend.
    Ich starre geradeaus und denke mir wenig, bis am Horizont, wirklich direkt am Rand des Gelben, wo es das klare Blaue säumt, ein kur zer dicker dunkler Strich auftaucht. Wir fahren direkt drauf zu, es kommt mir vor, als ob mein Fahrer noch mal richtig Gas gibt, ich kann nicht

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