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Für immer in Honig

Für immer in Honig

Titel: Für immer in Honig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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in der wirklichen Welt ist es jemals so still – mir fällt ein Radiotonstudio ein, in Frankfurt, vor Jahren, und ich möchte überlegen, warum auch das noch anders war, warum die zwischen Maschinen sorgfältig erzeugte Stille den wenigen Geräuschen, die wir dort machten, freundlicher zugeneigt schien, während der Wüste einfach nur egal ist, ob wir sprechen, lachen oder schreien. Der Gedanke wird keiner, weil der Soldat wiederholt, nicht ungeduldig, nur hartnäckig: »See the movement there, Robert?«
    Bei den Stämmen, ja, jetzt sehe ich’s. Geschlagene, die schlurfen. Torkelnde, die nach den Bäumen oder nach einander greifen. Einer haut einen andern gegen einen der Stämme, lustlos regelmäßig, immer wieder, der Traktierte hat die Arme ausgebreitet, sie stehen von ihm ab, in die Höhe, wie gebrochene Rippen oder abgenagte Flügel. »They never leave that spot. Never come closer to the base. It broke out there years ago, and still there are live ones, although they seem to kill each other just as easily as stumble around. Kill, or maim. We’re watching them«, er tippt mit der Hand gegen sein Fernglas am Gürtel.
    Ich nicke, verstehe das Rätsel: Jahre, das heißt wahrscheinlich mindestens ein Jahrfünft, seit der großen Katastrophe also, seit sie sich überall aus der Erde befreit haben, auch hier. Wahrscheinlich war das mal eine Siedlung, auch wenn ich keine Gebäude erkennen kann – die stehen vielleicht auf der anderen Seite der Plantage. Wer wartet das Ding, wie wird es bewässert? Ich nehme mir vor, Skriba danach zu fragen, und merke mir nur: Was Lebende mal eingerichtet haben, damit Lebende es nutzen, erhält die Toten jahrelang, die trotzdem nichts damit anfangen können. Oder doch?
    »Do they harvest, what do you think?« frage ich den Soldaten.
    Er schüttelt den Kopf: » Man, the only thing I ever heard of being harvested by Zombies is us. So, clearly, I hope they don’t. But some of us, we harvest ’em right back. It’s the poison, don’t you know. The Solanum. Runs through their entire system, can cure people. What a world .«
    Dann lacht er, trocken, wie denn sonst, und winkt mir, daß ich ihn begleiten soll, zurück zum Jeep, zur Basis, zum Flugzeug.
    Skribas Zigarillos riechen besser als irgendwas Verbranntes, das ich je gerochen habe.
    Sein Kopf sieht aus, als nicke er. Ich werde gleich mal ins Netz gehen – dafür hab ich den Rechner ja gestellt gekriegt, um zu gucken, so oft wie möglich, ob jemand das Netz repariert, oder ob die Lücken weiter aufbrechen, der kriechende Zusammenbruch fortschreitet. Kleiner Posten auf der Sandburg nah am Ozean; wartet brav, bis die Flut kommt. »Dichtest du wieder?« fragt Skriba, ohne sich nach mir umzudrehen.
    »Ich schreib’ bloß auf, was ich erlebe«, sage ich.
    Er brummt zufrieden, ich schäme mich für etwas, das ich nicht verstehe. Dichte ich denn wieder? Die Deutsche mit den beiden Kindern betritt von der andern Seite das Zelt und fängt an, Tee zu machen. Die Kinder purzeln auf die Kissen am langen Eßtisch und brabbeln, das ältere ist eigentlich zu alt dazu, paßt sich dem kleinen Bruder aber an. Sie redet, während sie das Siedewasser aufsetzt, beruhigend auf die beiden ein, ich verstehe nicht viel, mein Nichtohr raschelt wieder zu laut, höre bloß: »Geschichte erzählen …« und »See Genezareth«. Wenn es dunkel wird, wird es kalt. Mehr weiß ich eigentlich nicht.

Siebte Minidisc-Aufnahme
    J: Die Leute schauen immer auf die Zombotiker, als ob die das Entscheidende wären.
    F: Na ja, wenn man selber nicht gern stirbt, dann sind sie das doch auch, oder? Als Vorbilder, als Aussicht, gewissermaßen.
    J: Das Entscheidende sind nicht die Zombotiker. Die gehorchen ihrem eigenen, wenn auch verkümmerten Willen. Sie sind Prothesenträger. Außerdem: Wo viele Zombotiker, da wenige Zombies. Global gesprochen, meine ich. Geographisch. Das Entscheidende, mein Süßer, sind aber eben die letzteren: die klassischen, hirnlosen Zombies. Denn merk dir eins: Ohne einen Zombiemeister gibt es keine Zombies.
    F: Zombiemeister.
    J: Ja. Ein Bokor, ein Magier, wie das auf Haiti heißt. Also, wo steckt er? Wer ist es? Das ist der Punkt – oder wie Lenin gefragt hätte: Wem nützt es?
    F: Du meinst, die ganzen Geschichten über Zombies, über wandelnde Leichen, die kein medizinischer Techniker auf die Welt losgelassen hat, sondern die scheinbar aus dem Nichts kommen, aus dem, äh, falschen Vakuum, wie du und deine …
    J: Gippies. Die Kader der GPI.
    F:

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