Für immer in Honig

liebte sie nicht, meinte er zu wissen, aber ohne Valeries Freundschaft wäre er eingegangen wie ein treuer Hund, dem sein Frauchen davonläuft. Viel später erinnerte er sich, wie sie einmal durch das feuchte Gras eilig zu ihm gelaufen war, ihre dünnen Schuhe durchnäßt vom Tau. Sie stellte sich, als wäre sie gewichtslos, auf seine Füße, schmiegte sich an ihn und hielt ihm ihr Gesicht entgegen wie ein aufgeschlagenes Buch. Die Erinnerung machte ihn, als ihm das Bild wieder aufstieg, Jahre später, so glücklich, daß er den Kaffee vor sich auf dem Tisch, in einer großen Schale, mit beiden Händen fest umgriff und zehn Minuten heftig in sich hineinweinte, ach daß er so etwas mal hatte erleben dürfen.
    Valerie Kriegerprinzessin: »Natürlich bin ich eine Sau, schließlich ist die Welt untergegangen.«
    Einmal sah er, völlig weg von den Drogen – Koks, MTS und hochprozentiger Scotch kämpften in seinem Metabolismus gerade ein Freundschaftsmatch ums arme Hirn –, ihr dabei zu, wie sie sich von vier Männern mit schönen Masken auf einem Walnußholz-Tisch ficken ließ. Weil er als neugeborener Held viel von jeder Sorte Wettstreit hielt, wollte er von da an auch mal mit vier Frauen gleichzeitig, brachte es aber schließlich nur auf drei, und das war nicht mal richtig schön. Ideal schienen ihm ein halbes Jahr lang zwei; darauf kam er, nachdem er so ein entfesselt und dabei nicht peinlich, sondern sogar anziehend laut lachendes Hippiemädchen und seine grünäugige W-Mutter in Amsterdam erlebt hatte, auf einem Diwan, bei einer Wasserpfeife.
    »Soma« hatte der Laden geheißen, einer dieser in allen nicht völlig zombisierten Metropolen existierenden semilegalen Clubs für unwirklichste Ausschweifungen, bei denen die Prominenz der W-Welt und des zombiestädtischen Widerstands sich mit idealistischen Geldgebern, den Schönen und Jungen der alten Eliten vergnügte, weil so etwas die geschäftlich-politischen Beziehungen förderte.
    Die vier Männer mit den Masken gingen Andy nichts an, aber auch nicht aus dem Kopf: Valeries ersticktes Stöhnen war so »hot hot hot« (W Bela) gewesen, und ihre langfingrigen Hände, ihre schönen Handgelenke, während sie zwei der Typen wichste, auf dem dritten ritt und den vierten, der ihren Kopf festhielt, als wär’s ne Rettungsboje, schmatzend blies, das hatte alles so gut ausgesehen, so …
    Andy war gern von Zeit zu Zeit mit sich allein zwischen den Räuschen. Da fand er sich wieder, auf Dächern, an Deck von Schiffen, in halbleeren Flugzeugen, die wichtige Leute wie Valerie und ihn von Kontinent zu Kontinent trugen. Wenn er dann an so einer Reling saß, oder sich in einem Polstersessel zurücklehnte, oder auf dem Rücken lag, erinnerte er sich an die jüngsten Feste, als wäre er alt und blickte zurück auf etwas, das nicht nur für ihn, sondern für alle träumenden und hoffenden Zweibeiner der Welt eigentlich nicht mehr zu haben war, auf eine völlig versunkene Dekadenz und Grandezza. In diesen Minuten dachte er gern dran, wie sehr er Schultern liebte, Rücken und Wirbel von jungen Mädchen, die er von hinten vögelte, wie sehr er das mochte, diese knochigen Schulterblätter, dieses Beben und Kreisen, die weißen Arschbacken, ein kleines Poloch, in das er einen angefeuchteten Finger oder Daumen steckte, wie sich diese zarte Zone dehnte, wie er den Schwanz, zum Beispiel, in Biancas enger rosa Muschi bewegte, diese kleinen Fältchen, elastisch und lecker, und manchmal zog er ihn dann raus, denn Bianca mochte es auch im Po: »Oui, très bien, ah oui.«
    Ja, richtig: das Tollste, was es gab, diese Laute, ein langgezogenes »guuut« oder »jaaa« aus einer schönen Kehle, Flatterkeuchen, Seufzen, beste Musik von Menschentöchtern und -söhnen.
    Und jede, jeder konnte irgendwas, das andern Lust machte auf sie oder ihn. Sex war nämlich, das hatte er vorher nicht geahnt, vor allem Talent, aber alle Menschen und W hatten es: Das überlegt man sich nicht, dachte er, so abstrakt, bevor man nicht mit sehr vielen Leuten rumgemacht hat.
    Martina in Bayern, die ehemalige Attac-Funktionärin, war am besten im Schlängeln: Der Leib bewegte sich in Wellen an seinem, wenn er fertig war, wirklich verbraucht, griff sie nach ihm und schlängelte da an seiner Seite rum, bis er wieder hart war, und dann stieg sie drauf und lispelte was, leckte am Ohr und lachte.
    Beth in Washington, eine von Hillarys junger Garde, hatte ihn überrascht, am Pool unterm Glasdach des großen Gästehauses, sie lag