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Für immer in Honig

Für immer in Honig

Titel: Für immer in Honig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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Unterschiede«, sagte die Wissenschaftlerin sarkastisch, »aber nicht weniger zwischen den W, also untereinander, als zwischen den W insgesamt und, sagen wir, zwischen Menschen wie Ihnen und mir.«
    Antiklimax? Scheibenkleister.
    Die Aufregung, die das Thema in den halbwegs intakten Ländern auslöste, reimte sich überhaupt nicht auf dergleichen dürre Auskünfte; war vielmehr von entschieden altmodischer Art, erinnerte nämlich durchweg an die Erregungsökonomie von Zeiten, in denen Talk- und Realityshows das Fernsehen beherrscht hatten: »Viele Eltern haben Angst, ihre Kinder könnten W sein oder mit Kindern Kontakt haben, die W sind«, »Ist das eigentlich ansteckend?«, »Warum tut die Regierung nichts?«, »Hängt das vielleicht alles zusammen, die Zombies, die W, das Wetter?«
    Geschickte W-Lobbyisten wie Cordula Späth taten ihr Bestes, gegenzusteuern: Liebe Eltern, habt ihr wirklich mehr Angst vor dem »neuen Fluch« (den Ausdruck hatte sich ein evangelikaler amerikanischer Fernsehpastor einfallen lassen, na fabelhaft) als davor, euer Kind könnte von Zombies gefressen oder vergewaltigt werden, Drogen nehmen, einem Unfall zum Opfer fallen? Seid ihr noch bei Trost?
    Nur ein Subtext, ahnte Andy, zwischen allen Zeilen restzivilisierter Eltern- und Pädagogenpanikdiskurse, ein neuer, ein uralter Refrain.
    Ich bin eine Träne: die von der Sonne fiel
Ich bin ein Falke: über der Klippe
Ich bin ein Dorn: unter dem Nagel
    Ein Streit in Cordulas Villa in den Hollywood Hills: »Was macht dich zur W, Valerie? Erklär mir das mal, damit ich es endlich verstehe. Wie geht das, was ist das?«
    »Gegenfrage: Was macht dich zum Menschen, Andy?«
    Es regnete draußen, während sie einander anbrüllten, die Luft war warm wie im Bauch von Satans Umluftheizung. Ein knallbunter Papagei mit Namen Ezra kratzte auf seiner Stange rum und rief gelegentlich: »Geh weg! Geh weg!«
    »Was heißt, was macht mich zum Menschen? Ich bin so geboren worden. Sag mir nicht, du wärst als W geboren worden!«
    Das sollte verletzend sein.
    Ein hispanischer Hausdiener räusperte sich auf der Treppe: »Die Ente ist fertig.«
    »Welche Ente?« blaffte Valerie.
    Der Mann wich zurück, zuckte zusammen: »Ihr äh … Ihr Abendessen?«
    4  Nachdem der Junge auf die Welt gekommen war – sie nannte ihn, auf Cordulas Empfehlung, David Josua Thiel –, legte Valerie eine zwei Monate währende, laut Andy also »sensationell lange« Schweinkrampause ein, »auf die Drogenpause obendrauf«, wie sie selbst erklärte, die im zweiten Schwangerschaftsmonat begonnen hatte und kurz nach der Geburt beendet wurde.
    Als aber erst mal klar war, daß Cordula nicht nur staatliche Kinderbetreuung befürwortete, sondern etwas Derartiges auch für den weltweiten W-Schattenstaat subventionierte und organisiert hatte, fand Valerie schnell wieder zu ihrer Arbeit und also auch der damit verbundenen Lebensart zurück. David Josua war versorgt, die Messerfrau kehrte zurück ins Reich der Sinne. Erster neuer Lieblingsspielplatz: Badezimmer in teuren Hotels, wegen Bidet und Whirlpool.
    »Mußt du eigentlich, wenn wir in Amerika sind, immer nackt in weißen Stiefelchen rumlaufen?« (Andy)
    »Ich bin bloß ein Cowgirl auf der Suche nach Heu. Zum Drinrummachen.« (Valerie)
    Die Crème der internationalen W-Society ließ sich nur zu gern wieder mit der jungen Mutter ein. Selbst W Jeremiah Cornelius aus England mit seiner skandalumwitterten Schwester Catherine (waren die ein Paar, oder was Schlimmeres? fragte sich der Boulevard), W Una Persson aus Schweden, W Bela Felsenheimer aus Berlin (»Der galvanische Graf«, der bei Andys Berufung zum Krieger in Marseille dabeigewesen war), sogar die unheimliche W Sook-Yin Lee aus Südkorea, kurz, die Morbidesten der Dekadenten, die Delikatesten der Infamen hatten Spaß mit Robert Rolfs Ehemaliger, und sie mit ihnen.
    Die zweite sexuelle Karriere der Messerfrau begann auf einer Party in Rio:
    »Du siehst süß aus in diesem Kleid, Honey.«
    »Danke schön, Una.«
    Der Raum war riesig, aber nur schwach ausgeleuchtet. Alle, Männer und Frauen, waren auf nachlässig-verschwenderische Weise elegant gekleidet. Eine Jazzband hockte auf Stühlen aus teurem Holz, in einer Ecke, neben einem schweren nachtblauen Vorhang. Die vier Männer spielten geistesabwesend grillenzirpige Cocktailmusik. Der raschelnde, gedämpfte Nichtbeat kräuselte die lässig herumstehenden Seelen der Gäste. W Jerry Cornelius, umgeben von Männern mit sonnengebräunten Gesichtern

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