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Für immer in Honig

Für immer in Honig

Titel: Für immer in Honig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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den Augen weh.
    Aber auf dem Weg am Schlecker-Drogeriemarkt vorbei und dann zum Edeka – das war damals ein »Gottlieb« gewesen, die Kette gab’s schon lang nicht mehr – gewöhnte sich seine Netzhaut schnell an das Himmelsblau. Klarheit des Herzens: Drogeriemarkt, richtig, und ich habe mich damals immer gefragt, ob das was mit Drogen zu tun hat. Vor Drogen hatte ich als Kind nämlich eine scheußliche Angst, wie eine Weile lang vor allen abgepackten Sachen aus dem Supermarkt, nachdem ich die Spinne im Studentenfutter gefunden hatte, tot und eingetrocknet wie die Nüsse, Rosinen und das andere Zeug, igitt.
    Drogen: »Am Gymnasium gibt es viele Jugendliche, die Drogen nehmen. Du mußt willensstark sein und nein sagen, wenn dich deine Freunde oder Freundinnen auffordern, auch Drogen zu nehmen.«
    Er hatte abgeklärt genickt, mit seinen neun Jahren, wann immer die Mama davon anfing. Es war ja sein unbedingter Wunsch gewesen, aufs Gymnasium zu gehen, wo Robert und Jennifer hingehen würden, statt auf die Waldorfschule, wo niemand Vernünftiges hinging und seine Alten ihn grusligerweise hatten hinschicken wollen, weil er diese dummen Verhaltensauffälligkeiten zeigte und so ein Scheißpsychologe, zu dem sie ihn geschickt hatten, diese Anthroposophenfabrik empfohlen hatte. Deshalb war es wichtig, so zu wirken, als wäre die Angst, er könne sich zum Drogennehmen verleiten oder erpressen lassen, total lächerlich.
    Nachts allerdings dann war er in den ewig langen großen Ferien zwischen der vierten und der fünften Klasse, den längsten überhaupt, der tiefen Schlucht zwischen Grundschule und Werweiß, oft bis nach zehn Uhr wachgelegen und hatte sich Szenarien ausgemalt, wie man ihn zum Drogenkonsum zwingen würde.
    Machten die Dinger, Pillen, Pulver oder was, nicht auch noch süchtig? So, daß man starb, wenn man aufhörte, sie zu nehmen, aber auch sterben mußte, wenn man nicht aufhörte, weil sie ja giftig waren, siehe den Fachausdruck »Rauschgift«? Was, wenn ihn jemand von den Älteren einfach mal anblasen würde, mit so süchtigem Giftrauch, oder wenn man ihm was in den Tee streute, den er von zuhause mitnahm, in der orangenen Sesamstraßen-Kanne? Was, wenn ihn jemand mit einer dieser Spritzen ins Bein oder in den Arm stach, während er sein Fahrrad abschloß?
    Gab es wirklich für alles ein Gegenmittel, so wie Doktor McCoy, »Pille«, auf dem Raumschiff Enterprise immer eins hatte? Oder mußte er dann in eine Irrenanstalt, zur Entziehungskur?
    Jennifer Brunner hatte ihn beruhigt.
    Die kannte sich da besser aus, hatte die Stern-Serie über dieses Drogenmädchen aus Berlin gelesen und kannte Leute, die Leute kannten, die Drogen nahmen. Jenny war ihrem Alter sowieso weit voraus, redete manchmal sogar von »ficken« und anderen absolut lebensgefährlichen Sachen. Jennifer sagte, es wäre ganz unmöglich, jemanden zum Drogenkonsum zu zwingen oder gewaltsam süchtig zu machen – »Genausowenig, wie dich einer schwul machen kann, indem er dir an den Arsch faßt. So was glauben nur Zeugen Jehovas!«
    Das einzige Problem mit dieser Auskunft war für Philip der Verdacht – der ihm immer nur nachts, alleine, einfiel, nie in Jennys Gegenwart –, daß sie selber heimlich schon drogensüchtig sein mochte. Oder vielleicht schwul? Schließlich war ihre Mutter ja eine »Nutte«, wenn Philip das Gespräch seiner Eltern neulich, Samstagnacht, nach »Wetten, daß…« mit Frank Elstner, richtig verstanden hatte.
    »Nutte« hatte jede Menge mit schwul und Drogen und Gefängnis zu tun, war vermutlich fast so schlimm wie Terrorismus und was sonst alles im »Stern« stand, den Jennifers Mutter, die Nutte, natürlich eifrig las, während sich Philips Eltern an die verlässlicheren, nicht mit Fotos nackter Frauen verseuchten Informationen aus dem täglichen Lokalblatt begnügten.
    Philip, der Erwachsene, süchtige – Alkohol, darüber hab’ ich mir damals keinerlei Sorgen gemacht – Heimkehrer und zukünftige Jugendwart, lächelte, als er an den überängstlichen, phantasievollen Jungen dachte, der er im ersten Gymnasialjahr gewesen war: in Deutsch eine Drei, in Mathe eine Eins, ähnliche Noten dann bis zum Abitur.
    Seine Eltern glaubten immer, er wäre »mehr dem Exakten als dem Phantasievollen zugeneigt«, jedenfalls hat seine Mama das schwülstigerweise mal genau so gesagt, auf der Konfirmationsfeier, zu Onkel Harald.
    Nur ein einziges Mal dürften seine Eltern an dieser Überzeugung kurz irre geworden sein – im Sommer 1986,

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