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Für immer in Honig

Für immer in Honig

Titel: Für immer in Honig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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noch weniger einen Plan haben. Deshalb bin ich mal Lehrer geworden, erinnern Sie sich?«
    Frau Flasch lachte: »Ja, ich weiß. Leute, die noch weniger einen Plan haben … Die wirst du finden, bei uns im Treff. Ganz bestimmt.«
    Damit war das abgemacht.
    3  Am Tag seiner Ankunft im schrecklichen Städtchen las Philip Klatt drei Losungen, die ihm das Weitere weisen wollten. Er war mit sehr leichtem Gepäck angereist: Einen kleinen Plattenkoffer, eine große schwarze Nylonreisetasche und seinen Laptop hatte er bei sich, das sollte genügen. In der Bahnhofsunterführung – vier Gleise bloß, aber eine Unterführung: Die Stadtplaner hier, und die Bahn, und alle O ffizi ellen am Ort waren komplett klinisch verrückt, immer gewesen – begegnete er den Motti seines neuen Auftrags. Zwei davon waren Graf fi ti.
    »Frauen, die wie Männer sein wollen, sind einfallslos«, sagte die erste Inschrift, sie stand an einem alten Trafohäuschen und lehnte sich an ein Kreiskreuz-Frauensymbol: Mondkruzifix, dachte er, Spiegel mit viel zu großem Griff. Der zweite Hinweis war in die Bank geritzt, auf die er sich setzte, um im hellen Vormittagssonnenschein einen Moment lang zu überlegen, wohin er zuerst gehen wollte – zu Frau Flasch? Zum Jugendtreff, der um diese Zeit noch nicht geöffnet war? Zu seinem Hotel, am Rathausplatz?
    Jemand hatte sich eine Menge Schnitzarbeit gemacht, das Werkzeug, das benutzt worden war, konnte kein besseres sein als ein kleines Schweizermesser – wahrscheinlich nicht mal das, eher ein trashiges Werbegeschenk.
    Umso entschlossener hatte die wütende Hand ihre Losung ins Holz gehackt, etwa handflächengroß, es hatte wohl mindestens eine halbe Stunde gedauert: »Tötet Kanaken!«
    Die dritte Prophezeiung erschaute Philip Klatt, der allmählich Durst bekam, an der Fassade des Lokals »Zur Sonnenblume«. Das stand immer noch, wie schon in seiner Kindheit, gegenüber dem Bahnhofsgebäude, als hätte man es da vergessen, auf dem Weg ins Ortsinnere, wo eigentlich die Kneipen hingehörten. Inzwischen aber, schien es Philip, hatte die »Sonnenblume« sich damit abgefunden, neben dem kleinen Kino zu verwittern, und machte halt das Spießigste draus. Die Parole, die an der Wand des Lokals stand, war so rätselhaft wie politisch aufgeladen – ob man sie links, rechts oder irgendwo weit hinten einsortieren sollte, konnte und mochte Philip nicht entscheiden: »Keine Spaltung!«
    Er machte sich einen mentalen Vermerk, daß er irgendwann während seines Aufenthaltes hier – wie lange der auch dauern würde – rauskriegen mußte, wer das da hingeschmiert hatte, und was damit gemeint war.
    Philip zwinkerte dem Slogan zu, nahm den Laptop von der Bank, griff mit der anderen das Plattentäschchen und ging über die Straße ins Lokal, dessen Wand den Versöhnlern gehörte, oder den Zentristen, vielleicht auch den Volksfrontleuten oder den Alldeutschen, jedenfalls den entschiedensten Gegnern der Spalter.
    Zwischen stummen Gästen, lustlosen Kartenspielern, halbtoten Rentnern und dicken Fliegen an der Fensterscheibe bestellte Philip einen Fleischkäse mit Spiegelei und Nudeln, dazu ein Pils – vergiß die Abstinenz, nur mit kleinen, vorsichtig und milde applizierten Dosen bitter nötigen Alkohols war so ein fordernder erster Tag zuhause auszuhalten – und fand beides gräßlich, das fettige Essen wie das laue Bier.
    Später handelte er mit der hübschen, ständig beleidigten Bedienung aus, daß er seine Sachen eine Weile hinter ihrer Theke abstellen konnte. Er wollte nämlich einen kleinen Spaziergang unternehmen, die krumme Straße hinunter, die vom Bahnhof zum Rathausplatz und in die Altstadt führte. Nachher würde er dann zurückkommen, sein Zeug in den Kofferraum eines der Taxis schmeißen, die am Bahnhof darauf warteten, daß ihre Böden endlich ganz durchgerostet waren und fein durchbrachen, wenn der Fahrer unerwartet doch mal aufs Gas trat. In so einem Wagen sollte es zum Hotel gehen. Erst nach dem Einchecken wollte der ehemalige Schüler seine ehemalige Lehrerin aufsuchen – nach dem Mittagessen und dem Mittagsschlaf, den sie, wie er wußte, sich jetzt jeden Tag gönnte, nicht mehr nur an den Wochenenden, wie in alten Zeiten, als Rolf, Jennifer, Karl, Gabi, Sonia und er an Sams- und Sonntagen gelegentlich bei ihr vorbeigekommen waren.
    Die sommerliche Helle, als er aus der finsteren Kneipe trat – »Spelunke. Ja, genau, Spelunke«, sagte er leise vor sich hin, das Wort machte ihm Spaß – tat ein bißchen in

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