Für immer in Honig
Zusammenrumhängens ein entferntfreundschaftliches Verhältnis hatte, war die Nichte von Valerie Thiels Vater, dem treusorgenden Knabenmörder und Gatten einer Zombotikerin. Valerie Thiel stellte deshalb so etwas wie eine angeheiratete Cousine Robert Rolfs dar. Daran hatte er allerdings bis zu dem Augenblick, in dem eine Idee ihn packte, wie man sie pro Leben nur einmal findet, noch nie einen Gedanken verschwendet.
Michael Beer, dessen Verwandtschaftsverhältnisse Ihr nicht kennenlernen werdet und der aus dieser Geschichte demnächst verschwinden wird, wenn auch nicht spurlos, war ein auffällig gutaussehender Mann, der auf seine eigene Art fast Freddy Schörs hätte Konkurrenz machen können: Wild frisierte Haare und eine schöne, nicht ganz astreine, aber umso charaktercharmantere Stimme akzentuierten seine füchsischen Gesichtszüge und eine entspannte Haltung zu praktisch allem, was es gab. Die mußte er gar nicht penetrant zur Schau tragen, damit man sie ihm zutraute und glaubte.
Rolf wohnte in Frankfurt, Beer in Köln, ersterer war gerade zu seiner Freundin nach Berlin gezogen, letzterer hielt sich von der Hauptstadt einstweilen umsichtig fern. Der Journalist und der Musiker, die viele gemeinsame Bekannte hatten, wußten wenig übers Privatleben des je andern. Ihre Bekanntschaft aber machte beiden Spaß, wenn öffentliche und halböffentliche Schauplätze sie riefen: Partys; Lesungen mit Rolf, der nicht nur ein erfolgreicher Journalist, sondern auch ein weniger erfolgreicher, aber durchaus langfristig vor sich hin dichtender Schriftsteller war; die eine oder andere Ausstellung; gelegentliche Symposien (wie an diesem Samstag im Karlsruher ZKM ), und alle paar Jahre Interviews mit Beer und seinem Partner Vitus Wendlein bei der Elektronik-Popgruppe Martian Spouse, wenn Rolf eine ihrer Platten gern genug mochte, um deswegen einen Artikel springen zu lassen, oder jemand seine bescheidene Expertise in der Angelegenheit mieten wollte.
Konzerte von Martian Spouse und zufällige Zusammentreffen in der Redaktion von Spock, der Kölner Monatsmusikzeitschrift, deren Chefredakteur Rolf vor knapp drei Jahren noch gewesen war und für die er immer noch sporadisch arbeitete, waren Anlässe ihrer ersten Begegnungen gewesen, das lag schon eine Weile zurück:
Beer war während Robert Rolfs »Amtszeit« öfter in den Büros der Zeitschrift aufgetaucht, um, wie er erklärte: »euch zu bedrohen.« Robert Rolf hatte das gefallen, er interpretierte es auf die wohlwollendste Weise: Hier war einer, der es sich zur Aufgabe gemacht hatte, nicht in Vergessenheit geraten zu lassen, daß die Künstler, über die man in dieser Redaktion andauernd alle möglichen analytischen Artikel, Plattenkritiken und Kurzporträts schrieb, durchaus echte, für voll zu nehmende, denkende Menschen waren und in dieser Eigenschaft jederzeit körperlich auftauchen konnten, um das allzu thesengewisse und selbstgefällige Geschreibsel über sie und ihre Werke zu stören, zu begrenzen, einfach durch ihr mahnendes Herumgeistern.
Das Thema der Tagung im Zentrum für Kunst und Medien, auf der Beer und Rolf sich gerade ein lustiges Podium geteilt hatten, als Rolf die furchtbarste Idee seines Lebens einfiel, lautete: »Computer-, Internet- und Mediendiskurse: Zum postmodernen Paradigma als relevantem Dispositiv mit lauter so tollen Ausdrücken«.
Nein, stimmt nicht, das war keineswegs das o ffizi elle Thema. Aber auf diesen Titel für alles, was ihnen gerade passiert war, hatten sich Rolf und Beer geeinigt, um sich mit einer Rumcola (Rolf) und einem Milchkaffee (Beer) jetzt unter der Laufkundschaft an der Caféausgabe niederlassen und alsbald über Wichtigeres reden zu können.
»Das war ja vielleicht wieder ein hypnotischer Mist, oder?« wagte Robert Rolf eine gutmütige Überleitung vom Erlebten zum Interessanten.
Beer stimmte zu: »Ja, klar. Aber andererseits, was soll schon rauskommen, wenn man drüber reden soll, ob das World Wide Web die Musik verändert hat, und wenn ja: ob mehr die Rezeption oder eher die Produktion, und falls beides, ob interaktive Animationen mit riskanten Menüs nicht die visuelle Entsprechung dazu sind. Und dann noch: daß Musik als einzige Kunstform unter denen der ›alten Medien‹ echte Zeit wirklich vernichtet, statt sie nur in Anspruch zu nehmen, daß Musik nicht auf Dauer angelegt ist und … ähm … hilf mir mal: Was stand noch im Programm, worüber wir hätten reden müssen?«
»Ob der, der, der Mensch, also das
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