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Für immer in Honig

Für immer in Honig

Titel: Für immer in Honig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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entgleist war.
    »Du sagst gar nichts, Philip? Bist du noch dran?«
    Der demnächst geschiedene Alkoholiker hatte beide Augen ge schlossen und den Flachmann auf die Flurkommode gestellt. Mit den Handballen massierte er abwechselnd die Schläfen, in langsamer Kreisbewegung.
    »O.k., wie … wie ist denn die Lage da unten bei Ihnen sonst so? Die Drogen, die Schlägereien, die äh … die Neonazis? Sind die noch aktiv?«
    »Eine neue Generation, leider, ja. Utzer und Behnke sind nach der zweiten Brandstiftung in die Strafanstalt verschwunden, die kommen erst in zwei Jahren raus, aber ihre … wie sagt Isabella? Ihre Fans machen ein Getue drum, als wären diese zwei Ratten Schlageter und der Führer zusammen.«
    Philip erinnerte sich lebhaft an Klaus Utzer und Joachim Behnke.
    Die beiden waren schon im »Nationalen Widerstand« aktiv gewesen, als er sein Abitur machte, ihre Gewalt war nur ein stummer Schrei nach Liebe, ihre Springerstiefel sehnten sich nach Zärtlichkeit etcetera. Die kleine Neonazi-Szene, die um sie herumgeklumpt war, machte in den darauffolgenden Jahren des großen Terrors, 92 und 93, jede Menge Rabatz. Lichterketten hatte es auch da unten, in der verwünschten Stadt gegeben, sogar einen Stammtisch zum »Aufstand der Anständigen«. Bei der erwähnten zweiten Brandstiftung in der Altstadt, beim alten Kanal, wo in einem provisorischen Containerpark die Mehrzahl der Asylsuchenden der Gegend untergebracht war, wurden ein Kind und eine schwangere Frau lebensgefährlich verletzt. Das Kind blieb lebenslang entstellt, die Schwangere erlitt eine Fehlgeburt, Utzer und Behnke aber entdeckte das städtische Krisenmanagement endlich als strafrechtlich relevante Brennpunkte, »Rädelsführer«, Blitzableiter.
    Da die Gelegenheit, das Problem auf diesem Weg mit juristischen Gummihandschuhen anzufassen, günstig war, wurden sie vergleichsweise hart bestraft, nämlich auf längere Zeit weggeschlossen.
    »Utzers jüngerer Bruder … Rainer … der mischt inzwischen ganz oben mit. Ein unheimlicher Kerl. Sie nennen ihn den ›Dokter‹, er hat nämlich mal ein Studium angefangen, in Tübingen, Philosophie und Germanistik, glaube ich, und dann abgebrochen, aus Gründen, die niemand kennt. Ist ein ziemlicher Streber gewesen vorher, ich hatte ihn an der Schule … Er organisiert die Braunen jetzt, ehrgeizig, läuft in Leder­klamotten rum und schart sogar ein paar Mädchen um sich. Gina Weil, die Cousine von Thomas Berger, der bei dir in der Klasse war, ist dabei, und die Tochter vom Riedler-Bäcker, Astrid. Sie haben … sie liefern sich manchmal Schlägereien mit meinen … mit den Kindern vom Treff. Das heißt, zu uns kommen sie nicht, die Neonazis, aber in der Kneipe gibt es dann Krawall, oder am Bahnhof, vor dem Laden, wo die Rockkonzerte sind … Ich schaff das alles nicht mehr. Wir müssen wohl …«
    »Zumachen?« beendete Philip den Satz und zog eine Grimasse, als täte ihm das physisch weh.
    »Sieht so aus«, erwiderte Frau Flasch resigniert. Philip Klatt wußte, daß sie zu stolz war, ihm eine zweite Gelegenheit zu geben, ihr seine Hilfe anzubieten, wenn er diese nicht ergriff.
    »Ich frage mich … ich habe … ich meine«, stammelte er, »ich weiß ja nicht, ob das so eine nützliche Idee ist, wenn ich jetzt sagen würde, daß ich, weil mich hier ja nicht viel hält, wo doch, wenn man mal ehrlich … Sie wissen ja, wie es um meine Karriere steht. Und meine … meine Probleme.«
    »Gehst du noch zu den Anonymen?«
    Philip verdrehte die Augen – der Rat, die Gruppe anzusteuern, war ihrer gewesen, richtig.
    Er hatte es wirklich versucht, aber bevor er sie jetzt groß belog, wollte er lieber zugeben, was daraus geworden war: »Bin viermal da gewesen, insgesamt. Diese Kraftsprüche, das Religiöse … tut mir leid. Ich hab’s nicht mit Gott. Das hilft mir nix.«
    Er hörte sie leise lachen: »Ich weiß, du glaubst mehr an die Schrödingerwelle und an Herrn Leviné und an Kategorien und Ikosaeder und die Vektoren und alles andere, was niemanden tröstet. Ich erinnere mich an eure kleine Sekte.«
    Er mochte sich nicht darauf einlassen: »Also gut, wollen Sie jetzt meine Hilfe oder nicht? Ich kann runterkommen. Geben Sie mir anderthalb Wochen, dann stehe ich auf der Matte.«
    »Glaubst du denn, du bist in der Verfassung, jemandem zu helfen?« fragte sie sanft.
    Er räusperte sich und sagte: »Vielleicht ist das sogar das Einzige, was MIR im Moment noch helfen kann – daß ich versuche, wieder Leuten zu helfen, die

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