Für immer in Honig

sich Linke fürs Militär, das den souveränen Staat nach außen und innen verteidigen soll, nicht eignen (wol len). Unterschätzung von Krieg, Überschätzung von Bürgerkrieg: Daran krankt schon, was Trotzki sich ausgedacht hat, während Lenin immerhin das Wort vom »Weltbürgerkrieg« erfunden hat, den Stalin dann in eine Art Stellungsgeschiebe hat verwandeln wollen. (…)
    Wenn schon Blut vergossen wird, muß die Linke wissen, was sie will. Wieviel Blut? Nicht, daß es um die, die glauben, sie würden das gute Leben leben, um die herrschende Klasse und ihre Lakaien schade wäre (der Verf. hat schon als kleiner Punk und Ladendieb, umgeben von Freunden mit Namen wie »Fette« und »Teufel«, nicht einsehen wollen, warum er um einen toten Banker, einen toten Rüstungsindustriellen, einen toten Vollstrecker der Abwicklung des Ost-Sozialismus weinen soll. Waren die denn mehr wert als die Kranken Afrikas, die Kinderprostituierten Thailands, die Selbstmörder an der Eisenbahnbrücke in Karlsruhe?).
    Aber Krieg, das ist schon ein anderer Maßstab als Streik.
    In welchen Zusammenhang gehört der, woraus geht dieser Maßstab hervor? Krieg kann der Zündfunke für die Revolution sein, siehe Rußland, aber auch ihre wichtigste, ihre lesbarste Begleiterscheinung, siehe die Französische und die Art, wie bei der Ludwig der Allerletzte versucht hat, das Land, das ihm unterm Arsch weg immer konstitutioneller wurde, in einen Krieg nach dem andern zu treiben, um die »Nation« zu schwächen, die als neuer, allgemeinerer Tatbestand und Gedanke den Ständestaat bedrohte. Genau damit hat er seine Macht verspielt, den Nationalstaat geschaffen.
    (…) Der Verf. notiert skizzenhaft, was genauer auszuführen wäre, denn sein Leben ist im Augenblick sehr aufregend: Rolle der Desertion versus Rolle der Insubordination. O ffizi ere als politische Wesen, als die Stelle, wo das Militär politisch werden kann. Stehendes Heer versus Söldner und Fremdenlegion: Aufstieg und Fall des Nationalstaatsprinzips, Schrumpfformen. Die Levée en masse war der goldene historische Moment der bewaffneten Kleinproduzenten. Streik, Krieg: der Putsch als ihre mögliche falsche Synthese. Sansculotten sind nur möglich vor dem Totentanz: Wer das eigene Leben als was Geknechtetes haßt, verachtet den Tod, wen aber kein Tod mehr erlöst, der verliert sich im Schlamm allgemeinen Gemetzels, in einer Art universaler Vendée.
    Deren Wurzel auf der Ebene der Produktivkraftentwicklung sind Waffen, die massenproduziert sind und Massen töten können. (…)
    »Souverän ist, wer über Leben und Tod entscheidet.« (Carl Schmitt)
    »Staaten ohne Atomwaffen sind nicht souverän, wenn es Atomwaffen gibt.« (Franz Josef Strauß)
    2  Sind Kulaken, Computerhacker oder Kleinbürger, wenn sie von einer Armee rekrutiert werden, plötzlich was anderes als Kulaken, Computerhacker oder Kleinbürger? (…)
    Der große Nachteil des Prinzips »Individuum«, das durch die freie Konkurrenz entstanden ist, ein Nachteil, der von den Philosophastern und Krtkern der Postmoderne und des Totentanzes und ihrer albernen Krtk weidlich ausgeschlachtet und in den schwärzesten Farben gemalt worden ist, besteht darin, daß so ein Individuum eventuell vergißt, daß es Interessen hat, die keine individuellen sind. Wer alle eigenen Interessen für Einzelmenscheninteressen hält und glaubt, darüber hinaus keine zu haben, ist mit andern schwer zu koordinieren, wenn das nötig wird. Dem Internet ist in seiner heißesten Zeit, so ungefähr Mitte der Neunziger, offenbar allerlei Republikanisches angedichtet worden, von wegen Chatrooms, Foren und Newsgroups könnten die Clubs (Cordeliers, Jakobiner) von heute sein – soweit man’s von hier hinten erkennen kann, und mit ein bißchen Wehmut – der Verf. hat das Internet nicht mehr erlebt, als es blühte, war er ohne Zugang, jetzt liegt es in Scherben – muß gesagt werden, daß dabei eine fatale, für die »weichen«, »zivilgesellschaftlichen« Ideologien des späten zwanzigsten Jahrhunderts typische Verwechslung von Kommunikation (einfach mal so rumlabern) und Koordination (Absprache zwecks Erreichung eines Ziels) die Köpfe verwirrt hat.
    In so einem Klima blieb Leuten, die den Zerfall der klassischen (Gewerkschaften, Arbeiterbewegung, Sowjetblock) und neomodernistischen (Studentenbewegung, Neue Soziale Albernheiten, Gippies) Linken erlebt hatten und trotzdem nicht vom Umsturz lassen wollten, nur eine sehr schlechte Alternative:
    1.) Askese,