Für immer in Honig
»Heiligtum«.
Was erwartete den Pilger da, wenn er erst so weit vorgedrungen sein würde?
Was konnte noch kommen nach Wassern, Ergebung, Schweigen und Dunkelheit?
Ooh, sie kommen aus der Hölle
Ooh, denn da gibt es viel zu viele
»Ich versteh sowieso nicht, warum sie nicht einfach die Atombombe draufschmeißen auf die Städte, die von dem verrotteten …«, lachte der Glatzköpfige, und der mit den Dreads fiel ihm ins Wort, ebenfalls lachend: »Genau, so wie ›Return of the Living Dead‹, wo der Typ am Schluß am Telefon hängt und …«
Ein Zombie kam aus einer der Bürotüren, Akten unterm Arm, mehr Mumie als Untoter, staubiger Büroanzug, grobes Tuch, aber nicht billig, keine Schuhe an den Füßen, angeknabberte Zehen.
Schlurfte die gebogene Wand lang.
Schob sich in eine Schlange, schob sich wieder raus.
Verschwand in einer Tür.
»Oder wie in dem andern Film, den mit dem Flugzeuggeschwader mit den Pestiziden, wo diese Frau, die ihre dicken …«
»Hört ihr jetzt bitte mal auf, ja?« herrschte Judith die Kerle an. »Das ist doch kein Film hier.«
Verdutzte Gesichter, Gescharre und Geschiebe hinter ihr. Schweigen, Schnauben. Der eine der beiden Angesprochenen hielt sich die Hand vor den Mund, kicherte, sog Luft ein, zwischen schmalen Lippen: Puuh, was will die Alte denn? Judith fühlte sich wie eine Rentnerin.
Dann sagte eine Stimme in ihrem Nacken, ein bißchen angerauht: »Laß sie brabbeln. Außerdem ist es sehr wohl ein Film, das hier. Du wirst befördert, hast ab jetzt eine der wichtigsten Nebenrollen.«
Judith räusperte sich und tat, als hätte sie nichts gehört.
Die Stimme insistierte, freundlich unerbittlich: »Judith Neumann. Zweiter Stock, Verwaltung römisch drei, Rechter Zellenflügel. Eine Kollaborateurin. Und die einzige lebendige Person, die nah genug an die Gefangene rangekommen ist, die wir befreien wollen, um uns dabei helfen zu können. Nick einfach, wenn das stimmt, und du bist drin im Abenteuer.«
Wollte sie das? Stimmte es?
Was für ein Abenteuer?
Was für eine Zumutung, vor allem. Heiner Müllers lustige Blutbande, die rebellischen Spielkameraden der Messerfrau, am hellichten eiskalten Tag, mitten im Peigebäude, hinter ihr, in der Schlange.
Judith nickte.
Dreizehnte Minidisc-Aufnahme
F:… noch mal drüber nachgedacht. Ich hätte es gern bißchen genauer, wenn’s geht.
J: O.k. Ein ziemlich verläßlicher Mensch namens Colin Campbell schätzt, daß der Höhepunkt der herkömmlichen Ölförderung vor 2010 erreicht wird, also arschbald. Es gibt noch ein paar unkonventionelle Rückstände – Sandöl, schweres Öl, Steinzeug –, das heißt aber nur, daß die Gesamtproduktion bißchen später ihren Gipfel erreicht. Kann 2015 sein, sagt ein Buch von einem Richard Heinberg, Energiejournalist, ein Vollblut-Öko, kann auch erst …
F: Und die Kritiker? Du hast Kritiker erwähnt.
J: Ja, da ist einmal natürlich der unvermeidliche Björn Lomborg aus Aarhus …
F: Der Typ, der immer schreibt, alles ist in Ordnung? Der Ex-Greenpeaceler aus Dänemark?
J: Genau. Der sagt … He, kannst du bei der nächsten Raststätte rausfahren, ich muß pissen und brauch’ auch bißchen Koffein …
F: Echt? Das sagt der Lomborg?
J: Wenn du weiter so lustig bist, bepisse ich mich hier drin.
F: Tschuldigung. Also?
J: Also – Lomborg sagt, man darf nicht so mit Reserven rechnen, wie die Hubbertianer das tun, weil die Reserven anwachsen und weil das Öl aus Quellen kommen wird, die wir heute noch gar nicht kennen.
F: Klingt nicht sehr intelligent – daran werden die Hubbertleute ja auch gedacht haben.
J: Ja, und da er sich obendrein darauf beruft, daß Erschöpfungsprognosen früher schon danebengelangt haben, wird aus der Sache dann insgesamt das alte Ding: Die Oma war dreimal im Krankenhaus, die Oma ist dreimal wieder heimgekommen, also ist die Oma unsterblich.
F: Hmpf.
J: Eben. Denn auch Lomborg weiß: Öl ist ein fossiler Brennstoff, und es wächst kein neues nach. Strittig wäre allenfalls, wann Sense ist, und da kann man halt immer sagen: Wartet mal ab. Es ist wissenschaftlich blöd – denn sein Hinweis auf falsche Prognosen greift nicht, weil die Hubbertsche Methode sich ja zumindest einmal schon nachweislich bewährt hat, nämlich bei der Abschätzung der Kurve der US-Förderung – und politisch erst recht, denn wenn die Botschaft lauten soll, wir können immer so weitermachen …
F: Nee, klar, das sagen nicht mal die Ölmultis.
J: Und Lomborg auch nicht,
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