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Für immer in Honig

Für immer in Honig

Titel: Für immer in Honig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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hätte.
    Aber er tat’s: »Wie meinst du das?«
    »Na ja … empirische Sozialforschung … verstehst du … eine kleine Aktion. Man müßte, wenn man das ernst meinen würde, was du da erzählst, mal ein beispielhaftes Zeichen setzen, gegen die Überschätzung der Zeichen. Dafür, daß die äh gegenständliche Wahrheit des Denkens nur an Praxis gemessen werden kann. Am Hervorbringen oder ­Kaputt­machen, nicht am Reden.«
    »Und wie willste das machen?«
    »Indem man so jemanden wie Laqueur oder unsern Dieter, jeman den, der abstrakt vor keiner Transgression zurückschreckt, seien es Wichser, Performancekünstler oder Bombenwerfer, und konkret keiner Fliege was zuleide tun will, mal mit etwas konfrontiert, das ihn wirklich irritiert.«
    Überrascht begriff Robert Rolf im selben Moment, daß der scheinbar ganz auf ihn und seinen Monolog konzentrierte Musiker aus irgendwelchen mit keiner Blickverfolgungs-Software zu berechnenden Augenwinkeln heraus offenbar die ganze Zeit verfolgt hatte, was halb hinter seinem Rücken geschehen war: daß sich da junge Frauen zueinandersetzten und über ihn, den Popstar, redeten, daß dadurch eine kaum greifbare Erotisierung der Situation zustandegekommen war, mitten im großen Raum, daß jetzt, endlich, etwas geschehen mußte, und wäre es bloß ein Entschluß zu großem Unheil.
    Fast hinter Beer in Deckung gehend, den Kopf jedenfalls ein wenig senkend, sagte Robert Rolf: »O.k. Gut. Dieter Fuchs erschrecken. Aber was genau hast du im Sinn?«
    »Du hast es vorhin schon erwähnt«, lächelte Beer milde. »Kindersex. Also nicht so, wie du es erwähnt hast: als Kinderpornographie, das wäre ja wieder bloß ein Zeichen. Nein. Nö, weißt du, was ich mich frage, ist: Wie würde so ein moderner Diskursanalytiker reagieren, wenn ein Bekannter, mit dem er sonst keine Probleme hat, einer aus demselben Milieu, der ungefähr so alt ist wie er, ungefähr so intellektuell versaut, ungefähr so welterfahren, plötzlich mit einem ganz unglaublich jungen Mädchen auftaucht, auf Partys, auf Vernissagen, auf Konzerten …«
    »So jung wie die Studentinnen da drüben?« fragte Rolf und kam sich gleichzeitig sehr plump vor.
    »Auf keinen Fall! Viel, viel jünger! So jung es überhaupt nur geht! Minderjährig, unbedingt! Aber kein Kind, das ist Satire, das merkt jeder gleich. Nein, so ein Dreißigjähriger mit was halb so Altem, aber voll raushängen lassen, echt eklig. Und damit es richtig wehtut, sollte der Mensch, der dieses Wesen mit sich rumschleppt, ganz ernsthaft darauf insistieren: Das hier ist meine Freundin, mit der hab’ ich was Ernstes, die ist sexy wie die Hölle.«
    Ungläubig schüttelte der Journalist den Kopf: »Und wie soll … das ist doch …«
    »Was denn? Ein ganz exakter Versuchsaufbau, kein Problem. Das Ergebnis schreibt man dann auf, als Tagebuch, oder Drehbuch, was auch immer.«
    »Und was hat man davon?«
    »Den Weg von der Praxis zum Diskurs festgehalten, woran der ganze Scheiß scheitert, den du so haßt. Und außerdem hätte man damit noch eine nebenbei sogar hochwissenschaftlich hyperkomplexe Rückkopplungs-Lolita-Romankunst hergestellt. Meinetwegen auch einen Artikel in deiner Zeitung oder …«
    »Also, mit anderen Worten: nicht irgendwer, sondern ich soll das machen. Weil ich gegen den Diskursmist bin.«
    »Klar. Perverse Praxis gegen verkehrte Theorien. Muß ja nichts strafrechtlich Relevantes sein. Höchstens mal ein Zungenkuß oder so, die meisten Menschen, von denen man annimmt, sie seien zusammen, und die man um sich hat, ziehen einander ja auch nicht aus, auf den herkömmlichen Zusammenkünften. Es geht nur um den Ernst der Inszenierung. Das Mädchen wird selbstverständlich eingeweiht, kriegt von mir aus, ich weiß nicht, damit es noch schlimmer ist, als künstlerische Kinderprostitution, irgendeine materielle Entschädigung.«
    »Und woher soll ich das Mädchen … ich kann doch keine Anzeige in die ›Bravo‹ setzen oder auf Schulhöfen rumlungern oder …«
    »Ruhig, Robert. Hast du nicht ’ne Verwandte in dem Alter? Hat deine Frau nicht in der Fabrik ’ne CD von uns haben wollen, als Geburtstagsgeschenk für so’n Mädchen?«
    Das traf zu: Letztes Jahr, in Zürich, bei einem Besuch, den Robert mit seiner Freundin seiner Frau und deren Freund abgestattet hatte, war man zusammen auf ein »Martian Spouse«-Konzert in der Roten Fabrik gegangen und anschließend mit Michael und Vitus rumgehangen. Bei der Gelegenheit hatte die Zürcherin Beer eine CD für

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