Für immer in Honig
seiner Kundschaft aus armen Schweinen und abstiegsbedrohten Petit Bourgeois.
Freddy hörte sich das an, litt furchtbar, wurde immer verdrießlicher, wippte mit seinen weißen Turnschuhen, fuhr sich mit dem Finger über seinen Freddie-Mercury-Schnauzbart und wünschte sich nach Hause, zu Bea, die mit Recht abgelehnt hatte, ihn zu diesem Ding zu begleiten: »Schatz, ich bin schon reich, dank meiner Hände Arbeit. Laß gut sein.«
Ließ er’s gut sein?
Auf gar keinen Fall.
Als nach der Predigt die Fragestunde kam, wartete Freddy, dessen linkes Gewissen brannte wie Kinderpo auf Brennesseln, noch zwei dröge Zum-Mitschreiben-Fragen ab. Dann stand er auf und sagte: »Ich will ja nicht den Abend sprengen. Aber interessiert ihr euch eigentlich alle nur für diesen Quatsch, wie man schnell und ohne Arbeit zu Kohle kommt, oder auch für die tatsächliche Geschichte dahinter? Würdet ihr euch nämlich für die tatsächliche Geschichte dahinter interessieren …«
»Junger Mann«, sagte der zurückgeholte Krebstote milde grollbrummend ins Mikrofon, »das ist bestimmt alles sehr interessant, aber …«
»… dann würdet ihr«, fuhr Freddy stur fort, »vermutlich wissen, daß dieser Mist immer gleich funktioniert, ob beim Südsee-Kollaps vor dreihundert Jahren, dem großen Eisenbahn-Wahnsinn, dem Weltcrash 1929, dem japanischen Börsen-Fleckfieber der Achtziger und der jüngsten New-Economy-Sauerei: Großbanken und Staat regulieren zunehmend weltweite Kapitalströme, es geht nur darum, die Konzentration des Ka pitals voranzutreiben, die Industrie immer massiver zusammenzu klumpen, und ihr armen Mitläufer alle …«
»Junger Mann!«
»Ihr alle werdet dazu gebracht, euer gespartes Geld, sogar eure Löhne und Gehälter, die ansonsten vielleicht sinnlos, Gott bewahre, rumliegen würden, und die das Kapital gerne hätte, um seine Markt-Neuerschließungen und Produktoffensiven damit durchzuziehen, nicht mehr für den jämmerlichen privaten Konsum auszugeben …«
»Junger! Mann!«
»… sondern in Form von Aktien als sogenannte Kleinanleger direkt in die Kapitalspekulation zu pumpen – das gesellschaftliche Vermögen kann man nämlich umverteilen, von euch zu denen, ganz offen. Die Depots der Kleinanleger werden von den Großbanken verwaltet, falls ihr das nicht wißt, die über das Depotstimmrecht ein weitaus größeres Gewicht auf den Hauptversammlungen bekommen als allein durch ihre direkten Beteiligungen. Weil aber der ganze Reichtum rein fiktiv ist, in immer größerem Ausmaß ein bloßes …«
»Freddy. Setz dich hin.«
Das war nicht mehr der Zombotiker, sondern der Geschäftsführer des Ladens. Freddy stand da, hatte Herzklopfen, war atemlos sauer. Ein paar Zuhörer räusperten sich, husteten. Der Zombotiker fletschte die Hauer. Freddy guckte bös, atmete schwer, setzte sich hin. Es ging weiter wie geplant, niemand störte mehr.
Der Alltag im Laden nach diesem feinen sozialen Erfolg war entsprechend: scheele Blicke, rüde Befehle, weite Bögen um den »jungen Mann«.
Auch außerberu flich ging es Freddy nicht glänzend.
So schön das nämlich einerseits war, daß seine sagenhafte Edel freundin jetzt mit ihm in einer Wohnung lebte und zwei Drittel der Miete bezahlte, so blöd waren andererseits die täglichen Verabredungen in Sachen Schlüssel. Beas offensichtliche Lustlosigkeit, wegen der Sache das Nötigste zu unternehmen, ging ihm bald auf den Zeiger.
Außerdem gab es ein Bettproblem.
Das betraf ausschließlich die Frage erholsamen Schlafens, anfangs lachhaft eigentlich, nebensächlich, allmählich aber ging’s an die Substanz. Freddy fühlte sich, obwohl das Bett sehr groß war, allein durch Beas Anwesenheit, ihr Atmen und Neben-ihm-Liegen, wie an die Wand gedrängt, fast von der Matratze geschubst, in seiner Freiheit eingeschränkt. Wenn sie leise maunzte im Schlaf, oder kurz zuckte, wie einem das passiert, wenn man gerade wegdämmert, war jedesmal sein Abtauchen in die Traumnebel gefährdet, nicht selten für die ganze restliche Nacht das Einschlafen vereitelt. Dann schnupperte er wie eine ängstliche Maus die neuerdings nach Beate riechende Schlafzimmerluft und sah immer wieder auf die rote Anzeige der Nachttisch-Digitaluhr, halb zwölf, halb eins, viertel vor drei …
Kurz nur tauchte er in solchen Nächten mal unter in gequetschte Träume, die ihn an lauter Orte brachten, die er weder je persönlich betreten, noch irgendwo abgebildet gesehen hatte: Was war das für ein Strand, auf dem er über
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