Für immer in Honig
wieder nach. Sie rieb sich den stoppligen Schädel mit der Linken und dachte: Weltraum ist Weltraum, klein hin, Zwischenposten her. Draußen, oben. In Sicherheit.
Ihre deprimierende Berliner Wohnung vermißte sie jedenfalls nicht. Hinter der Trennwand, an der die Nutzlastschränke festgemacht waren, befand sich die Kontrollkonsole, und dahinter der Terminal, über den sie das Modul betreten hatten und erwartet worden waren, von der schwarzen Frau, mit der Cordula Späth jetzt im »Konferenzzimmer« vor den Steuerdüsen seit vier Stunden irgendwas Wichtiges »durchsah«.
»Wie lange werden wir noch hierbleiben, was meinst du?« fragte Judith Jennifer, die immer alles zu wissen schien. Die Befreite schob nachdenklich die Unterlippe vor, schloß kurz die Augen, als müßte sie innen, in ihrem seltsamen, narbenübersäten Kopf irgendwo was nachblättern, und sagte dann gedehnt: »Naa jaa … das Ding ist nicht wirklich für so viele Leute gemacht, und wir sind schon zwei Tage da … Die Sauerstoff- und Stickstofftanks werden ganz schön in Anspruch genommen, Schlaf- und Bewegungsraum ist eh knapp … Ich denke, wir warten noch auf ein paar Leute von Kreuzer, die mit Cordula verhandeln wollen, wegen der Dieringshofen.«
Dieringshofen: Das war die Schwarze, anscheinend auch eine Art Flüchtling, wie Jennifer, aber anders als sie nicht nur von Zombies und Zombotikern, sondern auch von Menschen gejagt.
»Was hat sie eigentlich angestellt?« wollte Judith wissen. Jennifer lächelte: »Angestellt … nicht so viel, möcht’ ich meinen. Hat halt ihre Arbeit machen wollen – sie ist Mathematikerin, und zwar sozusagen reine, es war, als sie mit ihren derzeitigen Projekten angefangen hat, bestimmt nicht abzusehen, daß … es dafür so viele … umstrittene Nutzanwendungen geben würde. Aber, hämm, also, angestellt hat sie, was vielleicht jede und jeder anstellen würde, wenn es darum geht, sich den Lebensunterhalt zu sichern, nicht nur so aus Gier, sondern damit man weiterarbeiten kann. Wenn man selber glaubt, das, was man tut, sei sehr wichtig, aber niemanden mit viel Geld findet, der das auch glaubt, muß man … beziehungsweise, also … Ein paar dicke Geldbeutel von den internationalen Monopolen wollten das schon sponsern, Kreuzer hat sogar versucht, sich die Dieringshofen über Jeanne Alber zu kaufen, aber … Vergiß es, mußt nicht wissen, wer diese Leute sind. Lena Dieringshofen wollte jedenfalls nicht von ihnen abhängen – Zusammenarbeit mit Cordula, mit dem Widerstand, mit den W: gut und schön, aber kein Geld nehmen von denen, die das alles bezahlen und nach Ansicht unserer jungen Mathematikerin vielleicht auch ein bißchen korrumpieren. Also hat sie, auf Anraten und mit der Unterstützung von Leuten wie Cordula und deren Freundin Miß Rosenberg, lieber auf kriminellem Weg Geld organisiert, als sich vom Großkapital kaufen zu lassen.«
»Kriminell? So was wie Banküberfälle?«
»Nee«, lachte Jennifer, »alles strictly white collar: Sie haben verbotene Börsentermingeschäfte, Insider-Trading, Finanzmanipulationen in vergleichsweise großem Stil durchgezogen. Und sind erwischt worden. Der Backlash ist gewaltig, unten«, sie nickte in Richtung Erdball, »eine regelrechte Stimmungsmache gegen die kleine Mathematikerkabale: ›Superhirnverbrecher‹ und dergleichen.«
Nebenan hörte man ziemlich laut die Dusche sprudeln. Die beiden Frauen schwiegen. Jennifer dachte nichts, außer: Man sieht eigentlich gar nicht so viele Sterne in der Schwärze, wie ich gedacht hätte.
Judith überlegte: Mit kriminellen Mathematikerinnen, allwissenden Exgefangenen der Berliner Zombie-Elite, einer geheimnisvollen Fä denzieherin mit weißen Haaren, einer irren Messerfrau, die früher was mit meinem Exfreund hatte, und einem Soldaten der Revolution, der ständig mit nacktem Oberkörper durch die Luft schwebt, damit man seine komische verheilte Wunde auf der Brust besser sehen kann – im Weltraum, draußen und oben. So kann’s kommen.
2 Valerie schüttelte den Kopf: »Du bist ne richtige Techniknuß, Andy, wenn man dir bloß mal ’ne Chance dazu gibt, was?«
»Laß mich doch.« Andy studierte die in Plastik eingeschweißten Pläne, drehte sie nach allen Seiten und murmelte: »Mann, das müßte Phil sehen – Philip Klatt, mein alter Jugendbetreuer in Sonnenthal, mit dem hab’ ich manchmal abends im Fernsehen die Space Night ange guckt. Schau hier, an was die alles denken müssen: drei Hygienestationen, Urinschlauch,
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