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Für immer in Honig

Für immer in Honig

Titel: Für immer in Honig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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beherzigt: den Kopf des zweiten gespalten, rechts vom Mann mit dem Plakatrohr, aber dann spuckte das Ding vorn Feuer und hinten einen weißen Wollefurz aus Rauch, und ein Geschoß riß Skriba den Unterleib weg – fast komisch sah es aus, denn der Rest von Mann hielt immer noch das Gewehr fest, schoß in die Luft, als er auf den Schmierfleck im Sand aufschlug, wo er gestanden war, wo seine Beine gewesen waren, die es nicht mehr gab.
    Jamal und zwei von Echnatons Leuten kamen vom Hangar auf einem kleinen Jeep holpernd übers Geröll gefahren. Sie nahmen den schwankenden Mann mit dem Rohr auf der Schulter unter Feuer. Er drehte sich zweimal um sich selbst, dann sprengte ihm ein Schuß von einem der Clintonleibwächter die Stirn weg. Er breitete die Arme aus, das Ding glitt ihm aus den Händen und stieß gegen sein Becken. Er fiel dagegen und legte sich als krummes Kruzifix auf die Erde. Ich schoß, weil er noch zappelte, mehrfach auf ihn.
    Ich war gerade beim Nachladen, als Jamal mir die Hand anbot: »Get in. We cannot hold this place. We must defend the main buildings.«
    Die Amerikaner halfen mir in den Wagen. Jamal am Steuer wendete beim Anfahren, ich war im Rücken getroffen, aber es fühlte sich nicht an, als wäre es eine Kugel gewesen, eher so, als hätte mich wer mit einem Stock geschlagen, oder einen Stein gegen meine Wirbelsäule geworfen. Die Ferse fing dafür jetzt an, wie angezündet wehzutun. Ich drehte den Fuß auf dem Sitz, faßte mir an den Schuh, der hinten feucht war, das Leder aufgerissen. Als ich die Hand hochhob, war der Ballen schwarzrot. Mir wurde kurz schwindlig.
    Dann ging es oben los, über uns: in der Luft.
    Ich habe mich immer gewundert, wie langsam das aussieht, am Frankfurter Kreuz zum Beispiel: das Starten und Landen der großen Flugzeuge. Abgeschossenwerden geht schneller, durfte ich jetzt rausfinden, und wenn ein brennendes, fünfzehn Meter langes Kfir-Flugzeug keine zehn Meter vom Jeep, in dem man sitzt, in den Balsamgarten fällt, dann schmeißt die Erschütterung den Boden in die Höhe wie ein kräftiger Mann, der an einem Teppich mit Spielzeuglandschaft zieht. Wir flogen durch die Luft, Wagen und Leute, Mann und Maus, und blieben trotz Massenträgheit nicht beieinander, sondern schlugen an verschiedenen Stellen auf. Der Wagen lag, als ich wieder was erkennen konnte und über mir das Kreuzstichmuster von Flammen und Leuchtspitzen der Geschosse sah, keine zwanzig Zentimeter weg von mir auf der Seite. Wäre er auf mich gefallen, hätte er mich zerteilt wie die Gabel ein Fischstäbchen. Ich warf mich auf den Bauch, tastete nach Waffe und Feldflasche, kroch zum Unterstand am Rollfeld und sah da Karins totes Kind: John, in dessen Seite ein Metallstift steckte, einen halben Meter lang, und aus dessen Mund das Blut auf den erst vorgestern frisch geteerten Boden tropfte. Ich hatte den Jungen nie gemocht, zu laut, zu launisch, zu neugierig: Sein Bruder Simon wußte, daß er Karin und mir Diskretion schuldete, ich glaube, er hat sogar was gemerkt, was da zwischen uns passierte, aber der Kleinere war eine Plage.
    Jetzt wird er mich nicht mehr nerven, dachte ich, und fing an zu heulen, während ich versuchte, die Stange aus seiner Seite zu ziehen. Sie holten unsere Maschinen vom Himmel, sie überrannten die Barrikaden, und ich machte sinnlos an diesem Kind rum, dem man nicht mehr helfen konnte. Zombies in zerschlissenen Uniformen sammelten sich auf dem Rollfeld, Syrer mit Feudel auf dem Kopf waren bei ihnen, auch Zombotiker: Ich sah Armschienen, Lungenplatten, Schädelpanzer. Jamal stand neben mir, trat mich in die Seite: »Get up. Leave him. He is dead. Take this«, eine Uzi, vielleicht Skribas. Er nickte dem toten Kind zu, wie um zu sagen: Das ist eine Scheiße hier, mein lieber Freund, und dann half er mir auf. Blindlings nach rechts und links feuernd, liefen wir hinterm Schuppen über einen Grünstreifen auf eine unserer Luftabwehrstellungen zu. Zwei Mann sollten sie halten, einer lebte noch und schoß nicht nach oben, sondern aufs Rollfeld, von wo aus sie uns jetzt angriffen.
    Ich setzte mich auf einen Stapel flacher Säcke und gab auf, sackte zusammen, schloß beide Augen, wischte meine blutigen Hände an den Oberschenkeln ab, während Jamal und der Soldat am Geschütz fuhrwerkten wie besengt.
    Wenn man sein Bewußtsein abzieht von großem Lärm, sich in sich selbst verkriecht, während die Wirklichkeit noch tobt, ist eine viel größere Stille möglich als in der unberührtesten Natur,

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