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Für immer in Honig

Für immer in Honig

Titel: Für immer in Honig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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er sie trägt: Es wäre wahrscheinlich ein ziemlicher Turnoff für die Leute, wenn sie wüßten, daß ihrem Mahdi ein Messerknauf aus dem Hinterkopf wächst.
    Da steckt nämlich eine Klinge drin, und obwohl er versucht hat, mir zu erklären, wie er trotz diesem äh: exotischen Handicap denken, rumlaufen, funktionieren kann, raffe ich es mehr auf Treu und Glauben als wirklich mit dem Verstand.
    Seine Exzellenz hat Leibwächter, die aber vor der Türe stehengeblieben sind, als er mich in meinem neuen Kontor besucht hat – »Die nehmen mich sehr ernst, und dich auch«, sagt Philip, »seit dein Jamal überall ausstreuen läßt, du wärst ein Vertrauter von W William Clinton und könntest uns, das heißt dem neuen Kriegerstaat, den wir hier basteln, die Schutzmachthilfe der Amis verschaffen.«
    Ich protestiere nicht richtig, Philip wiegelt ab: »Ich weiß, daß du das nicht kannst, und du weißt, daß ich nicht der Mahdi oder der Gesalbte bin. Wir stehen auf gleicher Höhe. Aber diese Leute brauchen ein paar Typen, auf die sie ihren Überlebenswillen projizieren können. Katalysatoren für Hoffnung. Integrationsfiguren.«
    »Zwei Deutsche«, zweifle ich, »muß das sein? »
    Aber er versteht mehr von der ganzen Scheiße als ich.
    Also lasse ich ihn erzählen: Wie er mit Kontakten, die ihm Reuland aufgebaut hat, zuerst die Basen am Rand der ehemaligen PA -Gebiete mobilisiert hat, wie sie letzten Sommer Jericho genommen haben und ein loses Bündnis mit Frau General Eisin aufgebaut, die Hebron hält, wie Arafat, Zombotiker, immer noch in Ramallah sitzt und gegen den falschen Mahdi agitiert – aber die Leute laufen ihm weg, schließen sich der Rückeroberung des Heiligen Landes an. Rückeroberung, frage ich, für wen?
    »Für Menschen. Muslime, Juden, Christen, Briefmarkensammler, egal«, erklärt der Kapuziner. Das Wichtige sei für ihn: keine Zombies, keine Zombotiker, auch keine W, nicht als Teil der regulären Truppe jedenfalls. Und kein Solanumhandel: »Wir verbrennen tote Zombies. Für uns sind das keine Farmen, diese Städte, die sie besetzt haben. Es gibt W, die mit uns zusammenarbeiten. Sie lassen uns passieren – im Norden gehört ihnen halb Hagalil, mit Zugang zum Meer, von Nahariyya bis Karmi’el, von Sakhnin bis Akko ist alles voller Wolfsmenschen, Schakalmenschen, Leuten, die sich in Nebel verwandeln können oder durch Telefonleitungen reisen, Mädchen, die als Regen auf die Erde fallen und wieder verdampfen, Riesen, so stabil wie Panzer, menschlichen Spiegeln, alten Frauen, die man nicht anschauen darf, nicht ins Gesicht, weil man sonst vergißt, wer man ist, feuerspeienden Jungs auf Motor­rädern, Leuten, die mit Hunderudeln auf allen vieren durch die Gegend laufen, blutenden Madonnen, Fischmenschen, Katzenmenschen, Vogelmenschen, Steinmenschen, Wundern. Wir lassen sie in Ruhe, sie kommen besser klar mit der zerstörten Infrastruktur, sind völlig verwildert – Zustände wie in Dantes Hölle, fetzen sich gegenseitig, führen kleine Stammeskriege auf, vögeln auf der Straße, reden in Zungen. Die alte israelische Regierung hat, wie die Regierungen an vielen Orten, lange erzählt, es wäre eine Krankheit, oder mehrere Krankheiten, dieses W-Phänomen, und dann gab es Berichte über Biowaffen, die außer Kontrolle geraten wären. Aber es ist eine weltweite Geschichte. Und im Westen, ich meine: in Europa und den USA , haben sie sich inzwischen emanzipiert – man merkt, daß man W ist, und wie man früher ein schwules Coming-out hatte, wird das mitgeteilt, die meisten fallen dann irgendwie aus der normalmenschlichen Gesellschaft raus. Manche bleiben allerdings erst recht drin, um die Interessen ihrer … Gruppe zu vertreten. Stellen ein W vor den Namen, wie der Ex-Präsident. Ja, dein Bill gehört auch dazu. Das ist eine Art Black is Beautiful-Ding geworden. Anfangs, so zirka Totentanz, wurden sie nämlich in Rußland und einigen osteuropäischen Ländern gezwungen, dieses W vor den Namen zu hängen, es war ein Stigma. Jetzt ist es hip. Wir lassen ihnen alle Gegenden, die wir nicht brauchen, sie arrangieren sich mit den Nomaden … Ihre größte Konzentration ist im Süden, Ha-Negev, südlich von Be’er-Sheva bis etwa ein paar Autostunden nördlich von Eilat. Mad-Max-Country.«
    »Und du?« sage ich, mit Blick auf das Messer in seinem Kopf.
    Er zwinkert: »Ich stelle kein W vor meinen Namen. Wer sich was denken will, soll sich was denken. Ich bin, soweit es meine Leute angeht, ein Mensch, nicht homo

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