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Für immer in Honig

Für immer in Honig

Titel: Für immer in Honig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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leise, ein bißchen betrunken, als sie von Andy wegrollte. Der kippte mehr aus dem Bett, als daß er aufstand, fing sich aber, bevor er zu Boden ging. Dann hüpfte er, sich aus der zwischen seinen Beinen verheddernden Decke befreiend, nackt zur Tür und öffnete sie.
    Da sah er einem kreidebleichen David ins Gesicht, der eine schwarze Jeans trug und sonst vermutlich nichts. Die transsexuelle Schönheit aus dem Partyzimmer stand nackt und offenbar frierend, die Arme jedenfalls schützend um den Oberkörper geschlungen, in einigem Abstand auf dem Gang und murmelte was, das sich für Andy wie »Katastrophe« anhörte.
    »Schalt an, schalt den Schirm an!« sagte David halbverschluckt, fast glucksend, schob sich an Andy vorbei ins Zimmer und schwang sich auf die vordere Bettkante, während Valerie – »Bitte schön!« – per ­Service­leiste am Nachttisch den Großbildfernseher in der schmalen Fußwand des Zimmers aktivierte. Die oberen sechs Kanäle brachten Werbung, Cartoons, Werbung, zwei Pornos und einen Western, die unteren ein Standbild von W Bill Clinton, ebenfalls Werbung, Bilder von einer Anti- TRIPS -Demonstration in Washington, Archivmaterial, das auch Clinton zeigte, noch mal Clinton, diesmal Jahrzehnte alte Szenen als US-Präsident, und schließlich abermals die Demonstration.
    »Was … ist passiert?« fragte Andy, verlangsamt und unsicher, während er das Bettuch aufhob und der eben den Raum betretenden Schönheit ritterlich um die Schultern legte.
    Valerie wählte einen der Nachrichtensender an, die Deutschen von Sat1. Das Bild füllte den Schirm aus, die Stimme des Sprechers sagte: »… einer der prominentesten internationalen W und entschiedener Gegner von TRIPS , aktiv in der Krankenbewegung und einflußreicher Gatte der Präsidentin …«
    »Was …«, setzte Andy noch mal an, und David haspelte atemlos: »Sie haben ihn, bei der bei dieser Demo in Washington, die haben ihn umgebracht, eine … eine – Bombe heißt es oder ein Selbstmordanschlag oder – es muß vor paar Minuten erst, ist gerade erst passiert, wir haben es drüben auf Dolores’ Zimmer gesehen, ich dachte – ich dachte das müßt, das mußt du, hier gleich … Oh Mannomann.«
    Wie kindlich, dachte Andy: Mannomann, das sagen Erwachsene eigentlich nicht. Dann griff er zum Telefon, machte Valerie mit der andern Hand ein Zeichen, die Glotze leiser zu stellen, und wählte die erste von Hillarys sieben in seinem Handy gespeicherten Nummern. Die ersten drei waren besetzt. Das mußte nicht bedeuten, daß auf diesen Leitungen wirklich jemand redete: Wahrscheinlich riefen jetzt dort noch andere Leute an. Die letzten vier kannte »niemand« (Hillary), das hieß, nahm Andy an, nicht mehr als ein Dutzend Menschen – bei den ersten beiden ging sie nicht ran, die dritte war ebenfalls besetzt und bevor Andy, der die ganze Zeit, ohne es selbst zu bemerken, vor sich hinmurmelte: »Geh ran geh ran geh ran mach schon geh ran Mensch bitte nimm ab geh ran«, die letzte anwählte, sah er sich im Raum um: Der Fernseher war aus, Valerie, David und die Schönheit hatten das Zimmer verlassen, ihre Klamotten waren ebenfalls fort.
    Auf dem Gang hörte er Schritte, leises Tuscheln, Zischen, Türen gingen auf und zu. Andy wählte die Nummer, und noch bevor der erste Rufton piepte, war sie dran: »Yes? Andreas?«
    »Ich bin’s«, sagte er, obwohl er’s kaum rauskriegte, so schwach waren die Lungen, so zittrig die Stimmbänder, so dick der Hals.
    »So you’ve heard«, sagte sie lakonisch, und er überlegte, was er ihr sagen konnte, aber ihm fiel nichts ein, er war nicht vorbereitet darauf, wirklich mit ihr zu reden, sein Verstand befand sich noch im »geh ran geh ran nimm ab«-Zustand und ihr Tonfall, beherrscht, sogar ein biß­chen kühl, erschreckte ihn: »Das Lustige ist, ich fühle gar nichts. Ich nehme an, es haut mich noch zusammen, später. Aber jetzt ist einfach sehr viel zu tun. Containment. Spinjobs.«
    Sie redete, als ob bloß irgend so ein Wasserboiler geplatzt wäre.
    »Bleibst du in Washington?« unterbrach er seine eigenen Gedanken. Hillary erwiderte, mit etwas mehr Melodie in der Stimme – er konnte sie trübe lächeln sehen dazu, wußte, wie sie aussah, wenn sie so redete: »Ich nehme an, daß ich zumindest ein paar Tage nirgendwo anders hingehe, ja.«
    »Dann komme ich hin«, platzte er heraus, ohne zu überlegen, wie das mit seinen sonstigen Plänen und Verpflichtungen zusammenpaßte.
    »Danke. Ich werde … ich weiß das zu schätzen.

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