Für immer in Honig
eine Frage an dich.«
»Eine Frage.« Andreas saß da, wie vors Hirn geschlagen. Von der Konstellation, in der er sich Hillary gegenüber noch vor zwei Stunden geglaubt hatte, war nichts übrig geblieben. Er hatte nicht die leiseste Ahnung, wie er sich deswegen jetzt fühlen sollte.
»Mir ist was unklar geblieben, an deinem Buch: Soldaten, na gut. Arbeitende Menschen, meinetwegen. Aber was machst du mit den Intellektuellen? Den Wissenschaftlern, den Künstlern? Sie kommen vor, aber sie sind dir nicht geheuer, du kannst – wenn ein bißchen Küchenpsychologie erlaubt ist, von einer Frau – dich wahrscheinlich nicht damit anfreunden, daß dich dein Leben mit Cordula Späth trotz all der Räubergeschichten, und vielleicht sogar ein bißchen wegen der Räubergeschichten, zu einem von ihnen, zum Intellektuellen gemacht hat. Also ist dieser Teil ausgespart.«
Ganz gegen seinen Willen mußte Andy lächeln: »Du irrst dich. Immerhin: Das beruhigt mich jetzt doch, daß du nicht restlos alles weißt. Der Intellektuellenteil – es gibt ihn. Er ist bloß noch nicht fertig, ich arbeite gerade im Moment dran.«
»Ah«, sagte Hillary und nickte, »ich vergaß: Deine Vorarbeiten sind handschriftlich, nicht? Wir haben nur das, was es schon auf Rechnern oder Datenträgern oder in Netzen gibt, aber du schleppst wirklich so ein kleines Büchlein mit dir rum, ein …«
»So klein ist es gar nicht. Und in Leder gebunden. Es steckt in meiner Reisetasche, oben, du kannst sie durchsuchen lassen, das Intellektuellenkapitel umfaßt die letzten vier Seiten.«
»Warum erzählst du’s mir nicht? Wir haben noch etwas Zeit, vor dem Aufbruch, ich warte noch auf einen Anruf aus Florida.«
Also erzählte er’s ihr.
4 Die Intellektuellen: Was das war, ist noch schwerer zu rekonstruieren als die Arbeiterklasse, wirklich ein reines Phänomen des zwanzigsten Jahrhunderts, während das Proletariat ja wenigstens seine zweieinhalb Jahrhunderte gehabt hat, sich als distinkte Gruppe fühlen zu dürfen, bevor seine Eigenheiten dann die von fast allen Verhexten wurden. Schwer zu fassen also, diese Intellektuellen, zumal sie selber nicht dran glauben wollten, es könne eine eigene Intellektuellenpolitik geben, d. h. sie haben sich entweder der Sache des Sozialismus verschrieben oder gleich ganz auf Politik verzichtet, sich also rechts eingeordnet (eine Minderheit davon bewußt, die fühlten sich dann aber im Grunde auch unpolitisch, oder antipolitisch). Wenn man diesen ganzen Kram heute liest, Gottfried Benn über Intelligenz als Aberration der Evolution, Arno Schmidt über »Gehirntiere«, dann klingt das wie die Kinderschreckversion dessen, was die W tatsächlich sind, aber nicht nur in der Birne, sondern in Tat und Wahrheit. Das Gewäsch über Eliten aber, das von so einem Benn- und Schmidt-Gefühl zehrte, als finsteres TwenCen-Ideologem beiderseits des eisernen Vorhangs, hat sich erledigt, seit es nur noch Lumpengeist und Wissenschaftsfellachen gibt und nix dazwischen – mit einem Zweijahresvertrag ist schlecht Hybris entwickeln, die Lage hatte sich geändert, Prometheus wurde proletarisiert, zu den Verhexten geschlagen.
Der Verf. erinnert sich an einen Abend mit einem seltsamen Bekannten von Cordula Späth namens Saul Paul Petri, angeblich Haiti-Resident, das war in Rio, und der sagte dem Verf., vielleicht im Spaß: »Der Sozialismus, an den sich außer unserer Freundin Cola hier keiner mehr erinnert, war wahrscheinlich einfach so ein Versuch, die Intellektuellen an die Macht zu bringen. Wenn es so war, dann kann ich, nachdem ich mir heute abend Colas langen Monolog über diesen sogenannten ›Stalin‹ angehört habe, von dem niemand was weiß, nur sagen: Das nächste Mal lassen wir uns das nicht von einem Eisenbahnräuber aus Georgien vermasseln.« Nettes Bonmot, nur war Stalin ja außer Räuber auch Priesterseminarist, und überhaupt: Wenn am Sozialismus nicht mehr dran (gewesen) wäre als Platos Philosophenstaat, hätte Popper recht gehabt, abgesehen vom dann außerdem nötigen Zusatz: bloß noch langweiliger als bei Plato, weil gemacht von Journalisten statt von Philosophen (was waren die denn von Beruf, diese Marxe, Engelse, Lenins und Trotzkis?).
Wie werden Intellektuelle, die doch eigentlich (das hat Popper richtig gerochen und Herr Saul Paul Petri korrekt satirisiert) alles gut finden müßten, was der Sozialismus vorschlägt: Big Government, danach freie Assoziation der Produzenten, voll entwickelter Mensch, Recht aufs
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