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Für immer in Honig

Für immer in Honig

Titel: Für immer in Honig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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Kerker
    1  Gegen den alten internationalen Strafgerichtshof, im späten zwanzigsten Jahrhundert, damals eine hauptsächlich europäische Idee, waren die Amerikaner mit zäher Widerrede aufgetreten. Den neuen hatten sie selbst initiiert und gebaut. Aber es waren ja auch neue Amerikaner, so rundete sich alles wieder.
    Der erste und für lange Zeit einzige Prozeß, der an diesem in New York ansässigen Gericht verhandelt wurde, dauerte nur drei Monate, die Beweisaufnahme gerade zwei. Alles war vor allem dadurch wesentlich verkürzt worden, daß die Angeklagte ihre Verteidigung zunächst nicht unterstützte und dann sogar behinderte. In den ersten anderthalb Wochen legten deshalb zwei Verteidiger ihre Arbeit nieder, weil ihre Initiativen – Beschaffung von Entlastungszeugen, Erstellenlassen von Gutachten etc. – seitens der Angeklagten nichts als Schwierigkeiten ­provozierten, wie der zweite der Resignierten in einer Presseerklärung bekanntgab: »Sie macht jede effektive Arbeit unmöglich. Ich sage es noch einmal, falls man es mir nicht glauben will: Sie begegnet meinen Be­mühungen nicht allein mit passivem Desinteresse, sondern rät Zeugen ab, für sie auszusagen, will nicht mit Psychiatern sprechen … Ich gebe auf.«
    Als der Vorsitzende Cordula Späth erläuterte, daß sie, die als Grund für ihr Verhalten den »Wunsch nach Beschleunigung des Verfahrens angesichts der Unvermeidlichkeit des absehbaren Urteils, gegen dessen Verhänger und Exekutoren ich keinerlei Groll hege« angab, den Ablauf mit solchen Manövern eher verlangsamte – Richter Madison wörtlich: »Wir werden Sie zwingen, wenn es nicht anders geht, zuzulassen, daß Ihre Interessen in diesem Prozeß vertreten werden, weil er zu wichtig ist, als daß wir zulassen könnten, daß er sich in eine Farce verwandelt« –, beantragte sie, sich selbst verteidigen zu dürfen, unter Verweis darauf, daß sie von den o ffizi ellen Gerichtspsychiatern, mit denen sie anders als mit den von den gescheiterten Verteidigern bestellten sehr wohl zusammengearbeitet hatte, bereits als zurechnungsfähig eingestuft worden war, »sonst könnte man ja auch nicht gegen mich prozessieren. Man wird also wohl oder übel anerkennen müssen, daß ich weiß, was ich tue.«
    Nach einigem Hickhack erkannte man genau dies an und ließ sie gewähren. Der Rest lief wie am Schnürchen, denn ihr Verteidigungskonzept zeichnete sich durch robuste Übersichtlichkeit aus – alles, was sie während der Verhandlung jemals von sich gab, lief auf an die jeweilige Beweislage angepaßte Varianten desselben Arguments hinaus: »Ich bestreite nichts davon, aber ich hielt es für historisch notwendig, um die Usurpation des Wiederaufbaus nach dem Ende der Zombiepest durch die falschen gesellschaftlichen Kräfte zu verhindern. Ich habe die Revolution erzwungen, weiter nichts.«
    Im einzelnen bestritt sie also nicht, für einen Großteil der SHARP - Angriffe verantwortlich zu sein, »mit Ausnahme der drei chinesischen, zweier südamerikanischer und eines afrikanischen Ziels sowie der L-5-Station der Milliardäre. An diesen trägt die verstorbene Präsidentin Rodham Clinton alle Schuld, alte Trittbrettfahrerin, die sie immer war – das ist erst passiert, als ich mein Programm schon hatte eingeben lassen und Washington begriffen hatte, daß man’s nicht aufhalten konnte – also warum nicht ein paar Unruhenester, in denen die Soldatenbewegung, die Aneignungsbewegung, die Krankenbewegung und andere Störfaktoren beim Weltregieren besonders stark waren, gleich mit verheeren?«
    Diese Behauptung ließ sich zwar nicht wirklich erhärten – die von den revolutionären Wirren nach dem Feuer und dem Tod der Präsidentin aus dem Amt gejagte Regierung Clinton II. hinterließ noch weniger juristisch verwertbare Spuren als die Regierung Bush II. vor ihr –, wurde aber vom Gericht als wahrscheinlich eingeräumt und sogar von der Anklage nicht bestritten, deren Sturmspitze, eine junge sino-amerikanische Anwältin namens Lee, der Angeklagten ins Gesicht sagte: »Ihre Verteidigung ist tatsächlich noch abscheulicher, als ich erwartet habe. Die Strafe, die ich beantrage, wäre angemessen, wenn Sie auch nur eine einzige Stadt hätten zerstören lassen. Sie aber bekennen sich zu einem Vielfachen davon und finden es dennoch wichtig, den kleineren Teil der Opfer Ihres Verbrechens einer vergangenen, überwundenen, historisch gegenstandslosen Macht ins Grab hinterher zu kippen. Sie aber, Frau Späth, sind nicht

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