Für immer in Honig
Freehold von Robert A. Heinlein.«
Die auswendige Aufzählung sollte den Gast verstummen machen, sie war mit Bravour hingelegt. Das hatte er von Jenny gelernt, die immer noch mehr wußte und schneller lernte als jeder Mensch, Jenny, die eine W bleiben und sich nie in den Wald oder die Nacht zurückziehen würde: »Ich bin eine alte Hexe, und das reicht mir.«
Er vermißte sie, seit sie sich verabschiedet hatte und wieder solo auf dem Planeten herumgurkte.
Der Gast wurde sehr einsilbig und ging bald nach Hause. Als er weg war, sah sich Andy ein neues Video aus Cordulas Gefängniszelle an, amateurhaft aufgenommen und von irgendwelchen Verrückten, die ganz erbärmlich komplizierte Verschwörungstheorien pflegten, ins Netz gestellt, ohne daß irgendeine revolutionäre Regierung der Welt etwas dagegen unternahm – wie Andy die Köpfe des derzeitigen obersten amerikanischen Councils kannte, Cavestany, Mulder und Galeon, waren die sogar dafür, das Ding zu verbreiten, und es würde spätestens morgen überall zu sehen sein.
Cordula kam ihm nicht älter vor als eh und je, das Haar war vergleichsweise kurz und die Wangen wirkten teigig. Sie trug die Haare hochgesteckt und ein schwarzes Stirnband mit chinesischem Aufdruck – das hätten sie übersetzen sollen, nicht was sie redet, dachte Andy mit mißmutigem Blick auf die englischen Untertitel. Die Beleuchtung und Aufl ösung waren mies, aber er verstand deutlich, was sie ihrem unsichtbaren Interviewer in gemessenem Ton, jedes Wort sorgfältig klar artikulierend, erzählte: »Was wollt ihr denn? Es lag offen am Tag. Da war nix zu machen. Das Neue Testament habt ihr euch als Legitimationspapier versaut, liebe Westler, mit den Kreuzzügen, auch wenn das erst paar hundert Jahre später sichtbar wurde. Was glaubt ihr, wäre aus den Menschenrechten geworden, diesem anderen großen Rechtfertigungsdokument westlicher Weltordnung, was wäre damit passiert, nach den Menschenrechtskriegen, Ende des zwanzigsten Jahrhunderts – ich meine noch vor dem Totentanz –, Irak, Kosovo? Wovon war das ein Anfang? Hätte ich wirklich warten sollen, auf die logischen Konsequenzen? So habe ich zum neuen Evangelium, das den Menschen überall eine bürgerliche Rechtsordnung versprach wie das alte das Paradies, halt den Nietzsche gemacht, allerdings nicht, indem ich irgend so ein peinliches ›Antichrist‹-Büchlein geschrieben habe, sondern praktisch. Also gut, verklagt mich doch – nee warte, habt ihr ja schon. Sieht nicht gut aus für mich, stimmt’s?«
»Stimmt«, sagte Andy zum Schirm, und goß sich ein Glas voll mit lächerlich bitterem Zeug.
6 Vor drei Jahren hatte er die Papierfragmente dessen, was einst Robert Rolf gewesen war, nach Jerusalem gebracht, wo Skriba lebte und langsam verfiel, ohne Beine, ohne das Bedürfnis, Nahrung zu sich zu nehmen, wie ein abgestorbener Baum, schreibend, sprechend, lehrend: »Ich zehre von der magischen Energie, die noch übrig ist und auch ohne mich, der ich davon zehre, langsam aus der Welt verschwindet. Bald werde ich Staub sein, wie es sich gehört.«
»Was heißt, wie es sich gehört?« widersprach ihm Andy, mit wenig Überzeugung, halt so, wie man zu kummervoll sterbensnahen alten Leuten »na, na« sagt, wenn sie in Sterbelaune falb daherreden.
Skriba lachte, winkte ab: »Wir sollten nicht mehr auf der Welt sein … Es schließt sich. Es steht geschrieben, Rabbi Yitzhak eröffnete eine Unterhaltung unter den Freunden mit den Worten der Schrift: Der Staub kehrt zur Erde zurück, wie er war, und die Seele kehrt zurück zu Gott, der sie gegeben hat – kommt und seht: Als der Gesegnete, der Heilige Adam schuf, nahm er ihn vom Staub am Ort des Tempels und machte seinen Leib aus den Vier Richtungen der Erde, und jede spendete ihm Kraft, und dann wurde die Seele in ihn gehaucht, wie geschrieben steht: Er blies in seine Nasenlöcher den Odem des Lebens. Dann stand der Mensch auf und begriff, daß er aus etwas von oben und aus etwas von unten gemacht war, ja, er erfaßte und kannte das übernatürliche Wissen. So besteht jedes menschliche Wesen auf der Welt aus etwas von oben und etwas von unten. Alle, die wissen, wie man sich in dieser Welt rechtschaffen heiligen kann, handeln danach – wenn sie einen Sohn zeugen, ziehen sie auf ihn heiligen Geist herab, aus jenem Bereich, aus dem alle Heiligkeit stammt. Diese dann nennt man die Söhne des Gesegneten, des Heiligen, denn der Körper ist in Heiligkeit angemessen geformt, so erhält er einen
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