Für immer in Honig
Blondes aus der Jeansbrusttasche und schmökt mir auf dem Vorplatz, mitten zwischen den Pötten dieser Pflanzeninstallation, die mein Bekannter Anselm mit verantwortet – so große bambusartige Viecher in Töpfen, eine Art Beuysscher oder Kippenbergscher Wald – was vor, und wer kommt auf uns zu, noch bevor wir reingehen?
Eben jener Anselm, der bei den Kunstwerken irgendeine Managerposition hat und den ich letztes Jahr über die Bertelsmann-Stiftung und diese ganze Israel-Reise-Geschichte kennengelernt habe, hab’ ich Dir ja breit gemailt aus dem Hotel in Cäsaräa.
Anselm ist ein sehr geschäftiger Mensch.
In Israel hat er an nur drei Tagen schätzungsweise dreißig Kontakte zu Künstlerinnen und Künstlern, Kuratorinnen und Kuratoren aufgerissen, weiß der Teufel, wo er die her hatte, hat sie wahrscheinlich auf der Straße per Radar erkannt. Läuft mit Windföhnfrisur rum, wirkt immer auf dem Sprung, redet gern, tauscht gern Informationen, hat natürlich immer einen Laptop dabei, ist aber auch immateriell sehr ver netzt, nicht nur übern Stöpselkasten. »Hallo!« begrüßt er mich, »Kommst du dir unsere Animationen-Ausstellung anschauen?«
An der Art, wie er mich da begrüßt hat, wurde mir klar, daß Du und ich, Dear Michael, an eins, so naheliegend es ist, gar nicht gedacht haben. Es ist etwas, das zwar unsere gemeine kleine Idee nicht vollständig zu Fall bringen wird, aber doch eine Steigung darstellt, gegen die wir erst mal ankommen müssen: Die meisten Erwachsenen, gar noch solche, die erst frisch den Zwanzigern entkommen sind und folglich erst mal denken, jetzt seien sie aber wirklich alt, fast schon weise, nehmen Leute in Valeries Alter kaum wahr, weniger als richtige Kinder sogar. Denn Teenager sind nicht mehr unbeholfen tierhaft putzig, aber auch noch nichts zum Aufreißen oder Erfahrungaustauschen oder Vollquatschen, nämlich zu eigensinnig.
Deshalb läßt man sie links liegen.
Ich habe tapfer versucht, die Komplizin ins Gespräch mit Anselm reinzuziehen: »Valerie wollte sich mal anschauen, was ihr hier bastelt …« – und ähnliche hüftsteife Sachen.
Valerie ihrerseits stand angemessen gelangweilt rum, hielt sich die Hand als Sonnenschirm an die Stirn, spähte das Gelände aus: das Restaurant in den beiden gegeneinander verstellten Glaskästen, die Rutschröhre, und dann hatte sie den ersten wirklich live, nicht vorab bei der Lagebesprechung, ersonnenen schauspielerischen Glanzeinfall. Als ich nämlich schon aufgegeben hatte und mich von Anselm in ein Gequake über unsere gemeinsamen Israelerinnerungen reinziehen ließ, von wegen hast du von diesem oder jenem aus der Gruppe mal was gehört, kommst du im nächsten Frühjahr zum Alumni-Treffen, was hältst du denn jetzt von der Lage im Nahen Osten – und ich also abgelenkt rumstand, quatschte, antwortete, einsilbig allerdings, weil ich ja eine Agenda hatte – da stahl sich plötzlich ihre Hand in die meine, welche bloß so an meinem Trottelarm runterhing.
Fast hätte ich’s versaut.
Ich bin nämlich furchtbar erschrocken. Es war wie ein, ich weiß nicht, na ja: als ob man mit dem Fuß in den Pantoffel will und es kommt ein kichernder Feuersalamander draus hervorgeschossen, verstehst Du? Nicht sexy, um Gottes willen: Sie ist fünfzehn und sah gerade durch das übertrieben puppig Aufreizende eher aus wie dreizehn, fast wie zwölf, das kleine Hollywood-Sexidol. Aber, mein Junge, das war schon klasse: Anselm hat es augenblicklich mitgekriegt, seine Rede wurde stockend, er konnte das nicht einordnen, man sah’s.
Ich bekam Aufwind: Habe ihn angegrinst, was er hoffentlich als den verliebten Wunderkerzenzauber des Händchenhaltenden erlebt hat.
»Ja, ah ja, also dann viel, viel Spaß mit der Ausstellung, das oberste Stockwerk wird dir … wird euch …«
»Ja, ihr kennt euch noch nicht, stimmt’s?« sagte ich mit nun voll entfachtem Gaunervergnügen. »Das ist die Valerie.«
Sie lächelte und nickte ihm zu. »Und das ist Anselm, einer von den Deutschen in dieser Israel-Gruppe, ich hab dir davon erzählt«, fast hätte ich, in irrem Übermut, noch die Anrede »Schatz« drangehängt, damit freilich alles ins Lächerliche gezogen – ich kam aber sowieso nicht dazu.
Denn in dem Moment stand, wahrlich gottgesandt, Stefanie Mehring hinter uns.
»Na, du hier! Mal wieder in Berlin, nicht mehr nur dauernd in Frankfurt?«
Sie streckte den Kopf zwischen mich und das Mädchen, das mir, nur damit Du Dir’s besser vorstellen kannst, ein
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