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Für immer in Honig

Für immer in Honig

Titel: Für immer in Honig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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kleines bißchen über die Schulter ragt. Herrn Fuchsens Frau trug eine große, insektoid gutaussehende, kaffeefarben abgetönte Sonnenbrille, dadurch hatte der Moment was von einem außerirdischen Heuschreckenangriff.
    Stefanie geht nach allem, was ich mitkriegen durfte, immer sehr direkt an Begegnungen ran, eine lustige, aufgeräumte Frau. Anselm erkannte die Ausfahrt und redete sich auf irgendeine Pflicht »hinten im Gebäude, und ein Telefonat, ihr kennt das ja« heraus.
    Valerie hatte meine Hand losgelassen – ich glaube, genau in dem Moment, als Stefanie sich bemerkbar machte – und die Neuangekommene drängte sich ohne viel Theater einfach rein, hakte sich fast bei mir unter. Erzählte erst mal was von Dieter, naheliegenderweise: »Der hat mich heute sitzenlassen, trifft einen Lektor von seinem Verlag, wegen des neuen Buchprojekts. Und weil ich in Berlin noch nicht fest genug im Sattel sitze, um gleich aus dem Stand am Sonntagnachmittag jemanden für die Freizeitgestaltung parat zu haben, hab’ ich mich dann halt mal allein hierher …«
    »Verfügt?« schlug ich vor, und sie nickte heftig, übertrieben einverstanden. Für alles offen, ließ Stefanie sich danach meiner Begleitung vorstellen – stellte aber keine Fragen, was die vermutete Beziehung anging, in der ich zu Valerie stehen mochte. Wahrscheinlich hat sie zunächst irgendeine harmlose Babysitter- oder Verwandtschaftssache dahinter vermutet, und das ist ja auch, machen wir uns nichts vor, ihr gutes Recht.
    Wir absolvierten also, ein ideeller Gesamtbesucher, selbdritt die Ausstellung. Von der Begehung gibt’s nicht viel zu berichten; im Erdgeschoß, dem großen dunklen Halbkeller, habe ich jedenfalls, ermutigt durch die drastische Händchenhaltegeschichte, vor einer großen Vi deoleinwand mit einem bedrückenden Scherenschnitt-Trickfilm immerhin mal den Arm um die Schulter meiner angeblichen Freundin gelegt, die sich auch sofort ganz unverschämt an mich rangeschmiegt hat. Herrn Fuchsens Frau hat das wohl auch gesehen, aber nicht reagiert, oder halt nur so, daß ich es nicht sehen konnte, bei sich, beiseit, wie’s auf dem Theater heißt.
    Auf halber Treppenhaushöhe, im Damenklo, gab es das Werklein zu sehen, für das die Hauptstadtpresse seit der Ausstellungseröffnung schwärmt: den animierten rosafarbenen Bär von Claudia Hart, der knuddelig und computerprall im winzigen Bildschirmviereck motzt: »I want more life, fucker.«
    Es war Stefanie – die sich nur kurz die Hände waschen wollte, sie hatte an einem Eis am Stiel rumgeschleckt –, die uns darauf aufmerksam machte, »guckt mal«. Valerie ließ sich gern reinziehen; ich hatte erst eine gewisse, sagen wir: Scheu, einfach so aufs Damenklo zu gehen.
    Obwohl, na gut: wenn das Tabernakel der ganzen Show da zu bestaunen ist, was soll ich machen?
    Valerie griff meinen Arm, nicht zärtlich diesmal, sondern zupackend, wie man einen Zauderzwuckel ergreift. Zu dritt standen wir dann da im engen weißgetünchten Räumchen neben dem Waschbecken. Mir setzte einen Schlag lang das dämliche Herz aus, als Stefanie, bester Laune, wonnig mahnte: »Laß deine neue Freundin doch auch mal gucken, du stehst ihr im Bild!«
    Aber an ihrem Gesichtsausdruck war nicht zu erraten, ob sie das jetzt als besonders glatte Anzüglichkeit oder als sachliche, wenn auch kitzlige Feststellung gemeint hatte. Den Rest der Ausstellung haben wir ohne Zwischenfälle hinter uns gebracht.
    Danach konnte ich plausibel vorschlagen, wir sollten uns unten in die Sonne setzen und was miteinander trinken.
    Valerie und ich wechselten, als Stefanie die Treppe runter voranging, einen kurzen Blick, mit dem vor allem ich mich vergewissern wollte, ob sie begriff, daß das nun erst die echte, erste richtig brenzlige Probe werden würde. Wir hatten über solche Situationen gesprochen und einander gemailt, darüber, daß es eher wenige Zeugen, vielleicht nur eine einzelne zu überzeugende Person geben würde bei dieser ersten öffentlichen Aufführung.
    Ich habe dann erst mal ihre Zigarette angezündet, sie hat von meinem Drink gekostet, alles ohne Worte, offene Verabredung, Vertrautheitssuggestionen, bei denen es Stefanie Mehring zusehends schwerer fiel, das romantische Moment mit arglos plätscherndem Gerede zu überspielen.
    »Ich weiß ja nicht so viel über Kunst«, sagte Valerie schließlich, als die Rede auf mögliche Meinungen zum eben Gesehenen gekommen war, mit, der Teufel wird sie bestimmt bald holen, treuherzigem Au genaufschlag.

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