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Für immer in Honig

Für immer in Honig

Titel: Für immer in Honig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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konnten noch andere dazustoßen, und irgendwann mußte denn doch mal wer dabei sein, den Torsten hier, heute abend bestimmt nicht sehen wollte.
    »Du solltest unbedingt noch eine von diesen gesamteuropäischen Zugfahrten machen, wo man als Jugendlicher, ich weiß nicht, unter ­ein­und­zwanzig glaube ich, eine billige Karte kaufen kann!« schnarrte Mama gerade entfesselt. »Wie heißt das noch?«
    »Interrail«, ergänzte der Vater, aus irgendeinem Grunde zutiefst befriedigt brummend.
    »Das hat der Ingo, der Sohn von Scheffels, weißt du, vor zehn Jahren auch gemacht. Das heißt, wenn ich’s überlege, ich weiß gar nicht, ob es das noch gibt, jetzt mit den neuen Tarifen der Bahn?«
    »Das ist doch bloß die Bundesbahn, Bärbel. Interrail ist was Eu ropäisches, das ändert sich so ohne weiteres nicht, das können die gar nicht machen.« Der Alte hatte vielleicht wieder einen Ton am Leib: nichts als Herablassung, Rüge, ja im Grunde Spott und Verachtung für die Mutter. Die jedoch ging natürlich nicht einmal, nicht ein einziges Mal dagegen an, sondern schluckte alles runter wie Babybrei und piepste höchstens noch programmgemäß: »Ich meine bloß, Alfred. Wo er doch jetzt schon so alt ist und bald all diese Gelegenheiten nicht mehr hat.«
    »Schon recht«, winkte der Vater müde ab. Torsten dachte, fast fromm vor Eifer, wie sehr er sie doch haßte, diese zwei, den blöden Gurkenkopf und die rückgratlose alte Fotze, und zugleich dämmerte ihm voller Grauen, daß er eben durch diesen Haß an sie gefesselt war. Wie schön es wäre, wenn ihm diese zwei endlich egal sein könnten! Würde das alles wohl nächstes Jahr anders werden? War der achtzehnte Geburts tag eine magische Schranke, hinter der wenigstens die innere Freiheit beginnen konnte? Als er diese bedrückenden Gedanken und Gefühle mühsam auseinander- und wenn möglich auch: sich vom Leib zu halten versuchte, geschah etwas sehr Unerwartetes. Das mit Schrecken erwartete Schicksal, hier drin ein bekanntes, ungefähr gleichaltriges Gesicht sehen zu müssen, ereilte ihn, aber anders, als er gefürchtet, ganz anders, als er für möglich gehalten hatte.
    Erst konnte er gar nicht glauben, daß das dort wirklich die Kleine war, mit der er in der süddeutschen Skifreizeit rumgemacht hatte, mit der er danach eine ganze Woche gegangen war. Ausschließlich Er wachsene kamen mit ihr rein, drei Stück: zwei alte Typen und eine Frau. Außerdem war ihre Aufmachung so was von irre, so unübersehbar jenseits von allem, was ihre Eltern oder überhaupt irgendwelche Eltern einer Tochter in diesem Alter toleriert hätten, solange sie noch bei Trost waren, mein lieber Freund: das rote Top, das ein Verbrechen gewesen wäre, wenn sie größere Brüste gehabt hätte, aber immerhin eine unzüchtige Zwinkergemeinheit war, weil sie eben nur kleine hatte; die Strickjacke aus schwarzer Glitzerwolle, die mit Sicherheit nicht von Valerie Thiels Taschengeld bezahlt worden war; am allerwahnsinnigsten aber der schwarze Ledermini, lackglänzend, edelnuttig. Nicht allein Torsten mußte trocken schlucken, auch seine Mutter stutzte, dann ereiferte sie sich: »Schau dir bloß mal das Mädchen da an. Der reinste Straßenstrich, mitten im …«
    »Starr nicht so hin«, knurrte der Vater. Es war unklar, ob sich das an Torstens Mutter, an Torsten oder womöglich an den Sprecher selber richtete. Alle Blicke im Restaurant wurden fast eine Minute lang vom luziferischen Glanz des Mädchens angezogen, Kellner schwankten im Gehen, Gäste kriegten glasige Augen.
    Valerie aber ging nicht, sie glitt durch die Luft, Ariel als Kindfrau, und als der alte Typ neben ihr, ein Jeansjackenpenner mit sich lichtendem Haupthaar, ihr die Hand auf den Rücken legte und ihr den Stuhl vom Tisch zurückzog, wurde selbst der andere alte Typ, der dabeistand, ein Glatzkopf mit spitzem schwarzem Ziegenbart, erkennbar blaß um die Nase.
    Nur dessen Begleiterin, eine gutaussehende Frau in beigem Pulli und schwarzer Jeans mit leicht gezaustem Bubikopf, tat so, als wären die Szene und das Arrangement, das sie ermöglichte, völlig normal.
    Torsten duckte sich ein bißchen, hinter den Flaschen mit Öl und Essig, neben dem endlich servierten Salat seiner Mutter. Er wollte nicht gesehen werden, zweifelte aber bereits daran, daß das eine echte Gefahr war: Valerie hatte scheinbar nur Augen für den Typ mit der Hand auf ihrem Rücken, der sich jetzt neben sie setzte und so tat, als würde er sich schon darauf freuen, heute abend

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