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Für immer in Honig

Für immer in Honig

Titel: Für immer in Honig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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wenn man sich überlegt, wie solche Zufälle immer … man hält das von außen alles für so geplant, diesen Journalismus, aber in Wirklichkeit … Ich habe dann einen Praktikanten hingeschickt, mir ihr zu reden …«, er machte eine Pause, die nicht rhetorisch war, schien in wolkige, aber dichte Gedanken abzutauchen. Valerie rückte heran, legte ihm die Hand aufs Knie, die erste Intimität diesseits der Öffentlichkeit überhaupt; ihr war, als müßte sie ihn trösten, bevor er aus geheimem Kummer ganz in den armen Kerl hineinrutschte, der er offenbar zu jener Zeit gewesen war, und daraus womöglich nicht mehr freikommen würde.
    »Und?«
    »Ja, der Junge … Martin Mahr hieß er, glaube ich … er kam völlig geplättet zurück. Legte sozusagen den Finger auf die Lippen: Streng geheim, gibt keinen Artikel, die Unterredung … sei eine Offenbarung gewesen, soviel könne er sagen, und eins, ich weiß es noch, weil er es auswendig gelernt hat, und mir auf einen Zettel schreiben mußte, weil ich ihm das mit dem Auswendigen sonst nicht geglaubt hätte.«
    »Ja?«
    »Er sagte, ähm: ›Sie sagt, ich soll dir ausrichten: Es wird nicht klappen. Es geht so nicht. Und wenn du fragst, wie sie das meint und wie sie das begründet, soll ich sagen: Intellektuelle, deren Äußerungen man nicht ansieht, daß sie zur Not bereit wären, die Welt zu regieren, sollen das Maul halten. Wörtlich‹.«
    »Ganz schön hart. Klingt ein bißchen nach typischer Sarah. Wie eine eiserne … wie eine alte Vogelkrähe.«
    »Eulenprinzessin«, las sie vom Cover der Platte. Pfauengeneralin, dachte sie, würde auch passen. Seltsame Menschen waren das, aus denen die Leidenschaften ihres angeblichen Geliebten gemacht waren. Ein seltsames Leben. Verlockend, aber scheußlich. Erwachsen halt.
    »Dabei habe ich im Städtchen damals immer bloß Heavy Metal ge­hört. Wie alle meine Freunde«, sagte Robert Rolf in die Stille. Das wollte Valerie nicht wissen: »Können wir das aufl egen? Dieses ganze Späth-Zeug?«
    Konnten sie, und so wurde es noch ein sehr befremdlicher Nachmittag.
    2  Wahrscheinlich gibt es Demütigenderes für einen frischgebackenen Siebzehnjährigen, als von seinen Eltern zum Geburtstag in die Stammpizzeria eingeladen zu werden – selbst für einen, der sich für einigermaßen reif und sogar »hart« hält, nicht zuletzt, weil er ein Langärmel- Shirt mit einem Aufdruck der Band Death trägt und seinen dünnen ­ Ober­lippen­bart nur unter schwerer Gewaltandrohung abrasieren würde.
    Torsten Herbst fiel allerdings im Augenblick nichts Demütigenderes ein. Er kam sich vor wie ein gestrandeter Wal, eine peinliche Nummer.
    Glück im Unglück: Die Schande fand mitten während der Woche statt, am Dienstagabend, als sonst kaum jemand, den Torsten kannte, Pizza essen ging. Und die »materialistische« Rechtfertigung, die er sich dafür ausgedacht hatte, daß er den Scheiß über sich ergehen ließ, bot ihm auch ein wenig Trost: Er saß bloß hier, damit ihm die Alten am Wochenende den Hobbykeller für eine vernünftige Party überließen.
    Als Brote aufgetragen und Bestecke hingelegt wurden, als ihm die Mutter die Hand auf den Arm legte und der Vater vom Geld redete, das er dem Jungen nächstes Jahr zum Führerschein zuschießen würde, gab es allerdings nur noch einen Gedanken, der Torsten daran hinderte, in die Höhe zu schnellen, über die Tischplatte zu springen, pathetisch die Arme auszubreiten und das Universum dafür zu verfluchen, daß man ihm, einem so gut wie Wahlberechtigten, erzwungene Intimitäten dieses Kalibers zumuten durfte: Die Pizza hier war wenigstens gut.
    Er hatte sich eine bestellt, bei der die Leute in der Küche alles dr aufl egen mußten, was sie überhaupt hatten. Eingekeilt zwischen die spendablen Alten, am Rande des Wahnsinns, stumm vor sich hin brütend und ohne rechten Appetit, war das nicht halb so toll, wie es hätte sein können. Die Nische, in der man hier saß, war trotz der geringen Wahrscheinlichkeit des Auftauchens von Bekannten nicht verdeckt genug. Immer wieder zuckte Torsten zusammen, wenn die breite Glastür zur immer noch, auch abends um sieben, ziemlich überlaufenen Straße sich öffnete und eine neue lachende Gruppe von Twenty- oder Thirtysomethings reinkam, um sich was Bestelltes abzuholen oder, schlimmer und gefährlicher, an einem der Tische rund um die Mitte des Restaurants Platz zu nehmen. So klein diese Gruppen auch sein mochten – je länger sie sich im Lokal aufhielten, desto eher

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