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Für immer in Honig

Für immer in Honig

Titel: Für immer in Honig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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spricht sehr gut deutsch – zweifellos besser als Peter. Kommt entweder aus Somalia oder Senegal. Hat mich beim Rauswurf beschämt, nämlich gefragt: »Was packst du so zu, willst du mir den Arm brechen, Nazi?«
    Somalia oder Senegal: Wahrscheinlich hat er recht, und ich bin genau wie Andy und einige andere, die häufig zum Treff kommen, zwar bestimmt kein Kumpel von »Dokter« Utzer und seiner Sieg-Heil-Gang, aber zumindest doch ein ganz normaler süddeutscher Rassist.
    Und was passiert jetzt also hier? Schlimmes vielleicht?

ELFTES KAPITEL
    Die Musikantin zur Einführung • Schau an • Drecksjob »Freundin« • Das Nachsehen • Familiengruft • Unerwartete Bezauberung • Schöninchen wird eingeweiht
    1  Das Beste am großen Quatsch der Lolita-Scharade fand Valerie die Plattengeschenke. Der Krach, den Sarah abzuspielen pflegte, die irren Hippieplatten ihres Bruders konnten da nicht mithalten: Weichspülstreichkäse, Fahrstuhlzirpen gegen »Werner Dafeldecker und Boris D. Hegenbart«, zwei irre Improvisationskrachmeister, oder die Klangbasteleien von Christina Kubisch, geschweige den ganzen erstklassig abgespeckten Technokram, der, wie sie nun erfuhr, zu Zeiten in ihrer Stadt aufgenommen war, als sie noch nichts von Popmusik wußte, abgesehen von dem, was mal im Radio kam, und jedenfalls noch keinen eigenen Geschmack entwickelt hatte.
    »Elektro Music Department« hieß ihr Lieblingsding, von so zweien namens Kotai & Mo, entstanden 1998, eine CD in warmem schwarzem Cover mit gelbrotem Logo, die sie nachts oft im Bett hörte, nicht vor dem Einschlafen, sondern anstatt einzuschlafen, manchmal dreimal hintereinander, bis tief in die Nacht.
    Natürlich gab er ihr das alles auch, damit sie ihre Hörgewohnheiten dem anpaßte, was sie beim Ausgehen mit ihm in den Bohemebruchbuden der Stadt erleben würde.
    Aber es schuf doch eine unerwartete Regenbogenbrücke zwischen ihnen, etwas, das nicht ganz aufging in der unschuldig schmutzigen Verabredung, die der Über-Dreißigjährige und die Unter-Zwanzigjährige miteinander getroffen hatten.
    Einmal ließ er sie in die Wohnung kommen, als seine Freundin Judith nicht da war, und sie verbrachten einen langen Abend damit, weitere Auftritte zu planen, während sie in seinen Platten rumstöberte: »Die hier ist ja toll, mit dem Schwarzweißfoto von diesem Nazi drauf.«
    »Das ist kein Nazi, das ist der Erfinder des Computers, Alan Turing. Hat im Krieg einiges ausgerichtet, gegen die Nazis. Ihre Codes geknackt.«
    »Und wer ist das, diese Frau, die diese Platte über ihn gemacht hat? Können wir die noch mal hören? Ist das eigentlich auch Techno?«
    »Im weitesten Sinne, ja – eine elektronische Oper. Die Frau heißt Cordula Späth. Ich habe noch andere Platten von der, eine Zeitlang war ich – ja, die da, die rosane, ›Pink Freud‹, genau, und die andere daneben – das ist ein Illustrator für Science-Fiction-Bücher, der diese nackte und am Kopf skelettierte Frau gemalt hat, Ashley Wood heißt er – oder sie, weiß ich gar nicht genau.«
    »Wie klingt die?«
    »Sind so Loops mit Flötentönen. Ich hab’ mit der Frau mal eine wahnsinnige Geschichte erlebt, als ich … als ich Chefredakteur bei Spock war. Die hatte uns zwei von ihren Platten geschickt, oder drei, aber ganz hartes Zeug, und ich bin ihr wochenlang hinterher, um sie zu ­inter­viewen oder was, ganz schwierig, den Kontakt zu machen, weil das so seltsame Labels waren, ohne richtige Adresse. Hab’ recherchiert, weil ich auch dachte: Den Namen kennst du. Späth, Cordula Späth. Ich kannte die wirklich, und zwar aus der Stadt, wo ich aufgewachsen bin. Die war eine Klasse über uns, glaube ich, am Theodor-Heuss-Gymnasium, und hat damals schon im Musikunterricht immer rumsabotiert und rebelliert. Oder war’s eine Parallelklasse? Egal.«
    »Und was ist dann passiert? Bei Spock, meine ich – hast du sie aufgespürt? Was drüber geschrieben? Sie getroffen?«
    »Nö. Beziehungsweise doch, also … sie hat sich gemeldet, und uns auf einmal ein Interview angeboten. Ich hatte an dem Scheißtag keine Zeit – im Lichte der Platten, die sie später noch gemacht hat, habe ich das sehr bereut, das kannst du mir glauben, Valerie … besonders diese da, ›Die Eulenprinzessin‹, auf demselben Label aus Münster / Westfalen, Asyndeton Records, von dem damals der Brief kam. Eine ganz einzigartige Platte, sowas Schönes habe ich … Ja, jedenfalls, es konnte auch kein anderer von den Redakteuren an dem Tag, der reine Wahn,

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