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Für immer in Honig

Für immer in Honig

Titel: Für immer in Honig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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Kätzchen, stapfte durch die Gräser hinter dem stattlichen, marmorklippenerhabenen, arielweißen Haus mit dem orangen Dach (Gestaltung: Willi Fleckhaus, nein Quatsch, irgendein geschmackvoller Architekt aus der Westschweiz), trat Wald-Trespe und Hain-Rispengras platt und die andern breiten Halme, die nur hier wuchsen, gesät von Cordula Späths eigener Hand.
    Mitten auf den saftigsten der Matten fand er die ewigjunge Weißhaarige, im Jill-Sobule-T-Shirt, in rosaverwaschenen kurzen Hosen, mit schmaler verspiegelter Sonnenbrille im Gesicht.
    Die Herrscherin der Domänen, Päpstin der letzten Gnosis, Klangkörperbauexpertin, Autorin einer Oper über Alan Turing und eines der sublimsten Kammerkonzerte der Nach-Beethoven-Ära, die Generalissima der Pfauenarmee und selbsternannte Beschützerin der W auf Erden lag auf dem Rücken und nahm die Brille nicht ab, begrüßte ihn aber, nachdem sie das Gänseblümchen ausgespuckt hatte, an dessen Stiel sie eben noch rumkaute, mit den kameradschaftlichen Worten: »Dr. Rock, du alte Schwuchtel. Was macht dein Lover?«
    »Ich nehme an, er läßt sich wieder irgendwo kreuzigen.«
    Dann ließ der Besucher sich am Boden nieder und das Kätzchen frei, das sofort auf Schmetterlingsjagd davonstiefelte. Cordula gähnte.
    »Ich bin hier, weil die verkehrte Welt jetzt kippen wird. Die Benandanti haben eine W ausgemacht, die auf ganz falsche Weise rauskriegt, daß sie eine ist. Und wenn man sich anschaut, was aus den Leuten wird, die damals mit dir in dem Kaff zugange waren, und mit Svenja … Du mußt eingreifen, Cordula. Die bauen rapide ab. Eine ganz hoffnungslose Generation ist das, wenn du mich fragst.«
    »Die Leute«, gähnte die Oberbefehlshaberin.
    Er unterstand ihrem Befehl aber nicht, räusperte sich also, nahm seinen breitkrempigen Hut ab, drehte ihn zweimal in den Händen und sagte dann brummig: »Robert Rolf schmeißt sein Leben weg, aus nicht begriffenem schlechtem Gewissen. Jenny nennt sich Bea und rennt gegen Wände, die sie selber aufgestellt hat. Svenja schläft ihren Dornröschenschlaf, wie König Barbarossa in der Kühle. Und Philip Klatt, der Gefährlichste, Stärkste … der hat mehr Schnaps in der Halsschlagader, als mein Lager im alten Scheunenkeller faßt.«
    »Es gibt einen Haufen W. Wir können uns leisten, welche zu verlieren«, bemerkte Cordula.
    »Das sind nicht bloß W, Cordula. Das sind Menschen. Ich kann das nicht mit ansehen.«
    »Hast halt ein weiches Herz«, es klang schläfrig, nicht recht bei der Sache.
    Dr. Rock zuckte mit den Schultern: »Na ja. Einen Versuch war’s wert.«
    »Wußtest du, daß sich der kleine Nazichef im Dorf jetzt ›Dokter‹ nennen läßt?«
    »Ein Echo, nehme ich an. Eine gebrochene Symmetrie. Solche Effekte gibt’s jetzt öfter. Umso ernster, daß …«
    »Meinst du, sie finden rechtzeitig zum Rondell?« gähnte Cordula.
    Doc Rock zuckte mit den Schultern: »Ich darf es hoffen, oder? Mmpf. Hausdorff? He, Hausdorff!« – Er rief den Kater zurück, und die Gräser teilten sich: Der Kater kam tatsächlich, weil kein intelligentes Wesen auf Erden, für das Dr. Rock Verwendung hatte, ihm den Gehorsam je verweigern würde, es sei denn, es handelte sich um Cordula Späth.
    »Ich halte meinen eigenen Ratschluß, Doc. Tut mir leid. Aber wenn du zum Essen bleibst, spiel ich dir was Neues.«
    »Ich hab’ keine Termine«, erwiderte der mächtige Mann und kraulte mit den riesigen Händen, an denen reichlich schwere Ringe glänzten, der Katze den Nacken, und, als sie sich im Gras auf den Rücken rollte, großzügig auch gleich den Bauch.
    5  Peter Thiel selbst war der allererste, der zugegeben hätte, daß sich alles sehr bedauerlich entwickelt hatte. Es fängt ja immer ganz harmlos an. Bei ihm war’s der Gedanke gewesen, ob’s nicht schön wäre, wenn man Menschen, die einen so furchtbar irritierten, daß man zeitweise nicht mehr wußte, wer man war, einfach mal ein wenig töten konnte, bis man sich wieder besser fühlte.
    Eine Phantasie bloß, kein Plan.
    Aber die kleinen Jungs hörten nicht auf, ihn zu irritieren – überall liefen sie durch die Stadt und sahen lecker aus, was eigentlich gar nicht sein konnte. Da mußte man einfach etwas unternehmen. Vielleicht hätte es geholfen, wenn er so mode- und zeitgeistbewußt gewesen wäre wie seine Tochter: Serienmörder waren völlig out, als er damit anfing, und wenn er sich mehr davor gefürchtet hätte, out zu sein … vorbei.
    Valerie: Wo steckte sie eigentlich wirklich, heute

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