Für immer in Honig
es leicht, die weiden sich dran. Seine manische Art hat ihm nie viele Freunde gemacht, jetzt, wo er neuerdings schwermütig und altersgeil rumläuft, fallen sie über ihn her … solltest mal hören, was Gerhard und Nathalie reden … aber ich? Wenn ich ihn direkt damit konfrontieren würde …«
Er holte tief Atem, fuhr herum und verschränkte zugleich die Arme vor der Brust, sah seine Frau trotzig an und sagte: »Was er sich da antut, von Judith übrigens ganz zu schweigen … Wenn ich ihm das vorhielte, dann würde er ja doch nur … Ich meine, wo es doch ganz offensichtlich genau um den Reiz des Kriminellen und Perversen und Übertriebenen geht bei dieser Sache … Er müßte sich grad noch mehr reinsteigern. Und von wegen: Ich nehme jedes Angebot an, mir diese … mir das aus der Nähe anzuschauen … echt, das ist …«
Ihm fehlten die Worte, aber er vermisste sie nicht sehr. Beide schwiegen volle zwei Minuten. Die Heizkörper klopften. Auf der Straße lärmte ein umständlicher, immer wieder stockender Einparkversuch am Bordstein. Samstagabend, und wir streiten hier rum. Blockiertes Leben.
Stefanie spitzte beim Weiterrauchen ab und zu die Lippen, die Lider klappten schwer auf, zu, wieder auf. Sie dachte nach, konzentrierte sich ganz eindeutig auf etwas, das Dieter nicht hätte raten können. Er spürte, wie der Ärger, die Wut auf sie sich in nichts aufl öste, vom Raum zwischen ihnen beiden aufgesaugt, angenommen wurde wie Milch von Kaffee.
Ob sie ihn nun triezte, wie eben, oder tröstete, wie oft schon: Er war ja eigentlich immer froh drüber, wenn Stefanie in seiner Nähe war. Alleine hätte er sich Dinge eingeredet, mit denen sie ihn zu Recht nicht davonkommen ließ, zum Beispiel, daß ihm der Schlamassel mit Robert und Valerie egal war.
»Hast du dich eigentlich je gefragt, ob er es auch deinetwegen macht?« sagte Stefanie nachdenklich; ein bizarres Versöhnungsangebot.
»Wie … meinetwegen?«
»Ob er dich vielleicht damit provozieren will. Sie dir hinhalten, weil er … na ja, dieses Emphatische, Aufgedrehte, das er immer so gern zur Schau gestellt hat. Die Unrast: daß er überall nur eine Weile bleibt, erst Chefredakteur beim Popheft, dann Tageszeitungs-Vielschreiber, zwischendurch dies und das, als hätte er anderen, deren Bahn irgendwie ruhiger verläuft, wie bei dir, etwas zu beweisen. Wenn das seine Art ist, Aufmerksamkeit herzustellen, Terrortheater, und er auf dich dabei besonders angewiesen ist – als ob er dir, als dem, von ihm aus gesehen, so viel gleichmütiger und bequemer Lebenden … Kann’s nicht sein, daß er dir was zeigen will, irgend so ein Nietzsche-Dings: Hier, das ist ernst, bei mir geht es um Seelenpein und um Entjungferungen, bei Euch andern doch um gar nichts!«
Jetzt war es Dieter, der mit den Schultern zuckte: »Und wenn es das wäre? Was könnte man machen? Soll ich ihn nicht beachten?«
»Nö.« Stefanie schüttelte den Kopf, die Stirn tief gefurcht. »Das ist auch sowieso Quatsch, was ich mir da ausgedacht habe. Wir haben die beiden ja gesehen. Das kann man nicht spielen. Das ist zu heiß. Solche Küsse … Mmmh …«
Sie lachte.
Dieter setzte sich wieder hin, schlug die Beine übereinander und sagte streng: »Das ist genau die Ebene, die mir dabei echt nicht passieren wird. Daß ich mich frage, wie das ist, für ihn, wenn er dieses Kind küßt.«
»Ach Dieter, Dieter …«, ächzte Stefanie, ihre Stimmung schien in etwas umzuschlagen, das er nicht begriff. »Ich glaube, du blickst es echt nicht. Ich frage mich doch nicht, wie das für ihn ist, wenn er sie küßt.«
»So? Was dann?«
Stefanie blickte versonnen aus dem Fenster in die Nacht und sagte halblaut: »Ich frage mich, wie es wäre, wenn ich sie küssen würde. Wie das mit ihr ist, mit dieser unglaublichen Lolita für Nervenleidende.«
Dieter war sprachlos.
»Ja, mein Lieber, siehst du, das ist mein Problem: Ich bin wahrscheinlich in die Kindfreundin deines bescheuerten Robert Rolf verknallt. Wenn man’s genau nimmt, wohl schon seit der ersten Begegnung, damals in den Kunstwerken. Und das Blödeste: Ich weiß leider überhaupt nicht, ob ich das ernst nehmen darf oder nicht, und was draus folgen würde, wenn ich es täte.«
Dieter Fuchs versuchte es mit schwarzem Humor: »Vielleicht ist es ja ansteckend. Was Robert hat, meine ich.«
»Hoff mal für dein Seelenheil, daß es das nicht ist«, erwiderte Stefanie, wandte sich ohne ein weiteres Wort ab und ließ ihn sehr gut sitzen, wo er
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