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Für immer in Honig

Für immer in Honig

Titel: Für immer in Honig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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alle möglichen Sachen in der Physik und Chemie. Die meisten Lehrbücher erzählen dir, was du auch überall im Internet erfahren wirst: daß zwei Typen namens James Cooley und John Tukey die FFT 1965 erfunden haben.
    F: Und das stimmt nicht?
    J: Das stimmt schon. Die haben das Ding mathematisch ausgeknobelt und ein Paper veröffentlicht, wie sich das für Wissenschaftler gehört. Bloß hängt an der Geschichte noch ein lustiges Schwänzchen: Als das Paper erschien, stellte sich raus – obwohl es bis heute wenige wissen –, daß es eine Firma für seismische Analysen gab, im Dienst der Ölmultis, ansässig in Calgary, die solche Verfahren schon seit Jahren anwandte. Niemand hatte dran gedacht, sie zu publizieren – daß sie funktioniert haben, war genug.
    F: Und die Moral …?
    J: Die Moral ist, daß die wichtigsten Wissensfortschritte, mit wenigen, aber nicht uninteressanten Ausnahmen, sich im zwanzigsten Jahrhundert entweder dem Systemwettstreit zwischen Kapitalismus und Sozialismus verdanken, oder aber dem Konkurrenzdruck im Kapitalismus selber.
    F: Und der erste von diesen beiden Faktoren ist weg.
    J: Ja, aber der zweite auch.
    F: Verstehe ich nicht …
    J: Du wirst, mein Lieber.

ZWÖLFTES KAPITEL
    Besuch von der Leibstandarte
    1  »Laßt uns das übernehmen – den Kanacker und seinen Dealerfreund. Wir sind hier zuständig«, sagte jemand, den Philip unscharf um die Ecke der Schneiderei Hauser kommen sah. Der dilettierende Sozialarbeiter sortierte gerade noch seine Pflichten, sein Gewissen, seine Daten, und schaute nicht so richtig hin. Zwei weitere Leute folgten dem Wichtigtuer. Schacko sagte, direkt an Philip gerichtet, der schwankend von Andy am Arm hochgezogen wurde: »Laßt ihr uns bitte rein? Die wollen uns zusammenschlagen. Bei euch trauen sie sich nicht. Ihr seid eine Einrichtung von der Stadt.«
    »Asterix haut euch eure Einrichtung von der Stadt zusammen, wenn ihr die zwei beschützt«, sagte die selbstsichere Stimme, die zuvor schon gesprochen hatte.
    Sie gehörte einem schlaksigen Kerl in schwarzen Jeans, mit schwarzen Springerstiefeln und roten Hosenträgern über weißem T-Shirt, auf dem das Eiserne Kreuz abgedruckt war. Er hatte viele Pickel und fast überhaupt kein Hirn. Zu seiner Rechten und Linken schoben sich zwei weitere Helden ins Bild: ein dicker Kerl in ähnlicher Montur, der dumm und schwerfällig, aber auch massiv gemein aussah, und eine kahlgeschorene Frau in roten Turnschuhen, weißen Jeans, weißem Herrenunterhemd und weißer Jeansjacke drüber, deren Haltung verriet, daß sie den »Anführer« zwar gern ein bißchen reden ließ, ihm aber nicht zuverlässiger gehorchte als das Wetter und die Weltpolitik dem Willen des Papstes. Schöne Western-Straßenszene, sann Philip benommen. Drei Parteien.
    Drüben am Brunnen, eben noch einen Schritt näher zum Treff rangerückt, standen die beiden ängstlichen Dealer, vor der Metzgerei die drei Nazis, und an der Treppe zum Treff er selbst nebst Andy sowie Zetta und Fette, die eben aus dem Gebäude kamen und auf die oberste Treppenstufe traten. Teufel blieb drinnen und hielt am großen Kaffeetisch seine zersäbelte Bildzeitung fest wie Linus von den Peanuts seine Schmusedecke.
    Philip wußte, daß er zum ersten Mal seit seiner Rückkehr jetzt würde beweisen müssen, daß er ein Recht darauf hatte, hier den Armenhelfer zu geben. Was konnte er sagen, um die Situation zu entschärfen und gleichzeitig seine Autorität zu stabilisieren, nein: überhaupt erst herzustellen?
    Es hatte natürlich schon andere Momente gegeben, die etwas wie Präsenz und Plan verlangt hatten: Schlägereien, Andys kleine Diebstähle aus der Kaffeekasse und Philips Geldbeutel, Fettes Neigung, die Nacht weiß Gott wo durchzumachen und dann um neun Uhr morgens auf der Treppe zum Treff herumzuliegen, Kraussens gelegentliche Mikro-Amokläufe, Anrufe und persönliche Auftritte der Nachbarn mit dem Ziel, ihn einzuschüchtern, außerdem der ewige bürokratische Scheiß­dreck. Das alles lief unter Pflicht, ebenso wie die Notwendigkeit, der Versuchung zu widerstehen, auf Kosten der Kids und der anderen Unbehausten das angebissene Ego zu vergrößern.
    Vorteilsnahme, Macht: Zetta zum Beispiel hatte ihm mehrfach bedeutet, daß sie ihn ranlassen würde, und obwohl diese verlebte Frau vielleicht kein Schwiegermutterherz mehr gewinnen konnte, fand Philip ihr Fuchsgesicht hübsch, ihre launigen Anträge schmeichelhaft. Aber nein: Abstand wahren mußte sein, das schuldete er …

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