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Fuer immer mein - Mechthild Kaysers erster Fall

Fuer immer mein - Mechthild Kaysers erster Fall

Titel: Fuer immer mein - Mechthild Kaysers erster Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Schlosser
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hätten sich mit einem Rocker auf eine Fahrt ins Ungewisse begeben. Und nichts deutete auf eine grobschlächtige Gewaltausübung hin. Trotzdem war Bernd Schultze nicht ohne Selbstzweifel. Vielleicht wurde er ja langsam verrückt. Konnte gar nicht mehr die Realität als solche begreifen und Schlüsse daraus ziehen. Vielleicht war er längst genauso starrsinnig wie Roder, nur auf einem anderen Gebiet.
    Schultze wollte an die Luft und verließ das Polizeihaus. Er überquerte die Ostertorstraße und schritt langsam die Marterburg hinab in den Schnoor, Bremens ältesten erhaltenen Stadtteil. An diesem touristischen Magnet herrschte noch reger Betrieb. Die kleine Schnoorgasse war trotz der kühlen Witterung voll von Touristen, die staunend vor den wie eine Schnur aneinandergereihten, kleinen Häusern aus vergangenen Jahrhunderten standen. Die Gasse war kaum mehr als zwei bis drei Meter breit, und die Besucher mussten sich aneinander vorbeischlängeln. Er nahm die Menschen um ihn herum nicht wahr. Er fühlte sich erschöpft und benommen. Es bekam ihm nicht, sich zu lange in den alten Gemäuern des Polizeihauses aufzuhalten. Möglichst ohne einen anderen Menschen zu berühren, schritt er in Gedanken das Kopfsteinpflaster in Richtung des anderen Endes des Schnoors entlang. Er bemerkte keines der Schaufenster der hier ansässigen Goldschmieden und Antiquitätenhändler. Er bemerkte auch nicht das neu auf den Markt gekommene T-Shirt der Bremer Stadtmusikanten bei Nacht, das nur ihre Augen zeigte, wie Esel, Hund, Katze und Hahn im Dunkeln übereinanderstanden. Nieselregen setzte ein. Schultze schlug den Kragen seines Mantels hoch und ging in sich gekehrt weiter.
    Am Ende des Schnoors bog er nach rechts ab, schlenderte am Kaiser Friederich vorbei, einer Kneipe in einem mittelalterlichen Haus, in der die Bremer Politprominenz, hauptsächlich die Sozialdemokraten, verkehrte, und schlug dann die Richtung zur Kirche St. Johann ein. Die mächtige Holztür des Portals war an diesem Abend schon verschlossen. Aber sein Ziel war nicht die Kirche, sondern die daneben gelegene Krypta. Sie war geöffnet, wie meistens. Er trat in den kleinen Vorflur ein und stieg die steinerne Treppe in den Keller hinunter.
    Obwohl sein Glauben ihn von der institutionalisierten Kirche entfernt hatte und er keiner Religionsgemeinschaft mehr angehörte, wusste er doch um den Nutzen spiritueller Orte. Er konnte fühlen, wo noch eine Nähe zum Höheren Wesen bestand und er in Kontakt mit der geistlichen Welt treten konnte. Die Krypta der katholischen St. Johann war so ein Ort. Sie war nicht sehr groß und sehr schlicht gehalten. Ein paar Kerzen gaben einen schwachen Schein auf den sandsteinernen Altar mit seinem schlichten Kreuz preis. Ein Kreuz, das Schultze sehr gefiel, da es darauf verzichtete, Jesus als Märtyrer darzustellen. Dieser kleine Raum war für ihn noch von Gott beseelt. Niemand außer ihm war anwesend. Er legte sich auf den kalten Steinboden vor dem Altar und schloss seine Augen. Er gedachte der beiden toten Frauen und begann leise zu weinen. Er trauerte wirklich um sie, da er sich durch seine Arbeit mit ihnen verbunden fühlte. Er spürte, dass sie mal heiter und lebenslustig gewesen waren und nicht schon hätten sterben sollen.
    Er dachte an ihre Seelen und hoffte, dass sie den überraschend gekommenen Tod ihres Hülle gebenden Körpers so gut verkraftet hatten, dass sie ihren Weg in die andere Welt mühelos finden konnten. Schon mehrmals hatte er das Gefühl, dass an den Orten, an denen Menschen getötet worden waren, ihre Seelen noch herumgeisterten, weil der Tod so unvorbereitet für sie kam, dass sie nicht wussten, wohin sie sich zu begeben hatten. Auf einer Reise nach Lateinamerika hatte er einen Schamanen getroffen, der ihm davon berichtete, wie er Seelen, die nach dem Tod ihres Trägers nicht wussten, wohin, gefunden und sie in die Nebenwelt geleitet hatte, damit sie zur Ruhe kommen konnten. Nirwana, Abrahams Schoß oder Paradies: Wie auch immer man diese Nebenwelt bezeichnen wollte, Bernd Schultze glaubte an ihre Existenz. Seine Arbeit mit den Toten hatte sie ihm erschlossen. Für ihn war alles auf der Welt in irgendeiner Form miteinander verbunden.

Mechthild Kayser, Ayse Günher und Kurt Roder standen hinter dem schaufenstergroßen, venezianischen Spiegel im Nebenraum des Vernehmungszimmers und starrten auf Benni Schatz.
    Er war seiner Stiefel und der Lederweste mit den Insignien der Black Hawks entledigt worden. Schultze hatte mit

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